Topchter der Köingin Tess 1
Ihr seid hier! Ich erkenne auch keinen der Wächter am Palasttor. Sie wollten mir erzählen, es sei üblich, die Tore zu verschließen, wenn Angehörige eines ausländischen Königshauses zu Besuch sind. Ich habe erwidert, dass das Schoh an meinem Stiefel ist, und ihnen ordentlich die Meinung gesagt. Aber Ihr scheint nicht verletzt zu sein, bis auf das blaue Auge. Wer hat Euch geschlagen? Die Heiligen stehen Euch bei, Ihr starrt ja vor Dreck! Ich erkenne Euch kaum wieder. Wie habt Ihr Euch nur so schmutzig gemacht?«
»Wir brauchen einen Ort, wo wir uns ein wenig ausruhen können«, unterbrach ich sie, denn ihr Geplapper deprimierte mich allmählich. »Hast du eine Idee?«
»Bei mir zu Hause«, sagte sie aufgeregt, dann berührte sie mein Haar und verzog das Gesicht. »Ach, Tess. Ich weiß nicht, ob sich das wieder auswaschen wird. Das Haus gehört natürlich meinen Eltern. Ich mache Euch ein Bad. Und etwas Gutes zu essen.« Sie warf einen Blick auf Duncan und Thadd. »Und Euren Freunden auch. Sie haben beide Pferde, nicht wahr?« Sie fiel mir erneut um den Hals. Ihre blauen Augen weiteten sich, und sie hielt mich auf Armeslänge von sich weg. »Rette Euch der Himmel. Ist das etwa Euer roter Unterrock in Eurem Haar?«
»Heather!«, rief ich verlegen. »Können wir bitte gehen? Wir dürfen nicht auffallen.«
Ihre Lippen formten sich zu einem O, als sie begriff. »Ihr seid davongelaufen? Schämt Euch! Prinz Garrett sah doch recht gut aus.« Sie zögerte und blickte mich bestürzt an. »Er war es doch hoffentlich nicht, der Euch geschlagen hat? Warum sind es immer die hübschen Kerle, die den miesesten Charakter haben?«
»Äh, nein, er war es nicht«, sagte ich, und ihr Blick richtete sich auf Thadd. »Es war auch keiner von den beiden.«
»Hilf der Prinzessin auf den Wagen«, forderte sie pikiert, als hätte Thadd das längst tun sollen.
»Brennende Schohgruben«, brummte Duncan. »Hält die Frau denn nie den Mund?«
Thadd streckte eine fleischige Hand aus, und ich ließ mich hochhieven und setzte mich neben ihn. Heather strich mit einer Hand über ihr blondes Haar und schürzte die Lippen, bis er auch ihr die Hand hinstreckte. Sie setzte sich neben mich, zupfte ihr Kleid zurecht und warf Duncan einen Seitenblick zu. »Wie lange seid Ihr schon fort aus dem Palast?«, fragte sie weiter. »Dem Himmel sei Dank, dass ich Euch gefunden habe. Ihr solltet nicht allein unterwegs sein.« Sie warf Thadd einen Blick zu. »Obwohl Ihr ja eine Leibwache dabeihabt – oder etwas Ähnliches.«
»Sie sind keine Wachen«, erwiderte ich trocken. »Und ich hätte dich schon längst aufgesucht, wenn ich hier gewesen wäre, aber ich war erst in Saltolz und dann in Brenton.« Sie schnappte nach Luft, und ich warf einen Blick hinter uns. Die wenigen Leute, die unser Wiedersehen beobachtet hatten, schienen sich nicht weiter für uns zu interessieren. »Ich habe Kavenlow und die echte Prinzessin gefunden.«
»Echte Prinzessin? Was …« Heather riss die blauen Augen auf und legte erschrocken die Hände an die Wangen. »Ach, Tess«, jammerte sie. »Ihr seid doch die echte –«
»Nein!«, rief ich und griff an Thadd vorbei, um ihr den Mund zuzuhalten. Ich spürte Tränen in den Augen brennen. Das hatte mir gerade noch gefehlt.
»Aber, Tess«, sagte Heather im Flüsterton, sobald ich die Hand wegzog. »Was soll das heißen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das spielt jetzt keine Rolle. Ich will nur baden und etwas essen. Die Pferde müssen in den Stall zurückgebracht werden, ehe jemand sie erkennt, und ich muss mir überlegen, was Kavenlow jetzt an meiner Stelle tun würde.«
Heather holte Luft, um auf einer Antwort zu bestehen, doch die Gewohnheit vieler Jahre, mir zu gehorchen, war schwer zu überwinden. Sie schluckte und deutete mit zitterndem Finger. »Da entlang«, sagte sie. »Und dort vorn rechts abbiegen.« Sie lächelte gezwungen. »Ich bereite Euch ein Bad. Und kleide Euch ordentlich, obwohl ich nicht weiß, woher ich ein Kleid nehmen soll, weil die Geschäfte jetzt schon so früh schließen. Wenn ich Euch erst anständig zurechtgemacht habe, fühlt Ihr Euch gleich besser, Ihr werdet schon sehen. Ihr seid die Prinzessin, Tess. Ganz gewiss.«
Ich schloss die Augen und ließ ihr Geschwätz über mich hinwegplätschern, tröstlich und nervtötend zugleich. Ich konnte riechen, wie die Schmiede hinter uns zurückblieb. Beim Duft nach gekochten Kartoffeln und Fisch wurde mir schwindlig vor Hunger. Der Gestank der vielen Menschen
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