Topchter der Köingin Tess 1
Wächter vortrat. Auf seinem Uniformrock klebten eingetrocknete Essensreste, und ich runzelte die Stirn. Er trug Vaters Farben, aber ich erkannte ihn nicht.
»Zum ersten Mal in der Hauptstadt?«, fragte er, und sein Blick glitt an mir vorbei zu Thadd.
Mit pochendem Herzen drehte ich mich um. Der Bildhauer starrte mit großen Augen die Gebäude, die Menschen und alles andere an. »Für ihn schon«, sagte ich und rollte kräftig das R. »Will zum Wundarzt, damit der sich ’n Fuß anschaut, ehe Momia ihn abhackt.«
»Das ist doch nichts Ansteckendes, oder?«, fragte der Wächter und wich zurück.
Ich schüttelte den Kopf und zog die Füße unter den Rocksaum, als mir auffiel, dass sie weißer waren als der Rest von mir. »Momia kann’s nicht heilen. In welcher Straße find ich einen Wundarzt?«
Der Wächter grinste hämisch. »Fünf Kupferstücke«, sagte er, und ich starrte ihn einen Moment lang an, ehe mir einfiel, dass ich die Augen niederschlagen sollte. »Handelssteuer«, fügte er grinsend hinzu, und ein zweiter Gardist trat aus der Wachstube und blinzelte im grellen Licht. »Wenn du reinwillst, zahl die Steuer.«
In meinem Magen flatterte es. Ich hatte kein Geld. »Ich hab Euch doch gesagt, dass ich zu ’nem Arzt will, nicht zum Markt, verbrannt noch mal. Die Pferde sind für die Medizin aus der Stadt.«
Thadd ließ fünf Münzen neben mich auf die Bank fallen, und der Wächter nahm sie mit gierigen, dicken Fingern. »Los, weiter«, sagte der diebische Gardist. »Ihr blockiert das Tor. Dreckige Zigeuner.«
Nervös schnalzte ich dem Pferd zu und gab ihm einen etwas zu heftigen Klaps mit den Zügeln. Das Tier stapfte mit nickendem Kopf vorwärts. Handelssteuer?, wunderte ich mich, als wir durch das Tor rollten. Ging wohl direkt in seine Tasche, vermutete ich.
»Hat Duncan Geld?«, fragte ich, sobald wir außer Hörweite waren. Ich wusste selbst nicht, warum mich das kümmerte. Thadd brummte einen Laut, den ich als Unwissenheit deutete. Ich hätte mich zu gern umgedreht, um das Tor zu beobachten, wagte es aber nicht. Ich bog an der allerersten Querstraße rechts ein und hielt neben einer Schmiede. Duncans finsteren Prophezeiungen zum Trotz hatte ich es durch das Stadttor geschafft. Aber würde er es auch schaffen?
Der heiße Gestank aus der Schmiede kitzelte mich in der Nase, und ich gab Thadd einen Wink, mir meine Stiefel zu reichen. Sein ernster Blick schweifte über die schmalen Häuser, die Menschen und die wenigen geöffneten Geschäfte, über den Dächern hätten Masten aufragen sollen, doch es war kein einziger zu sehen. Mir wurde schlecht, und am liebsten wäre ich sofort zum Hafen gefahren, um nachzusehen, ob Garrett sie alle abgebrannt hatte oder ob die Seeleute Gerüchte gehört und den Hafen verlassen hatten.
»Ich wusste nicht, dass du Geld dabeihast«, sagte ich, als meine zweite Ferse mit einem befriedigenden, dumpfen Geräusch ihren Platz im Stiefel fand. »Ich gebe es dir zurück, sobald ich kann. So etwas wie eine Handelssteuer gibt es gar nicht.« Ich griff nach dem Wasserschlauch und reichte ihn Thadd. »Wasch dir lieber den Fuß. Wenn du weiter daran herumkratzt, wird er sich noch wirklich entzünden.«
Er nahm das Wasser an und wusch sich mit gekrümmtem Rücken den reizenden Pflanzensaft von der Haut. Besorgt hielt ich am Ende der Straße Ausschau nach Duncan. Es war kaum jemand zu Fuß unterwegs. Die Geschäfte waren offen, hatten aber anscheinend nicht mehr viel Ware anzubieten. Die wenigen Leute, die unterwegs waren, wirkten angespannt, kauften rasch, was sie brauchten, und eilten weiter. Es wurde kaum gescherzt. Die Fassade der Normalität war sehr dünn.
Ich war so nervös, dass ich hätte aus der Haut fahren können, als ich Duncans keckes Profil am Ende der Straße erkannte. Vor Erleichterung sanken meine Schultern herab. Ich pfiff, und er wandte sich um und kam ohne jede Hast auf uns zu. »Seit wann erhebt die Hauptstadt denn einen Fußzoll?«, fragte er, als er nahe genug heran war.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Geld hast?«, erwiderte ich.
Duncan erstarrte. »Weil du es für etwas Dummes ausgegeben hättest, ein Bad zum Beispiel.«
»Bäder sind nicht dumm«, fuhr ich ihn an. »Sie verhindern, dass einem die Haare ausfallen.«
»Schau«, sagte er streitlustig und zog an dem Haar, das unter seinem schmierigen Hut hervorlugte. »Ohne Bad.«
Meine Hände zitterten. »Also schön«, knurrte ich. »Wir sind da. Lasst uns erst einmal etwas essen, während
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