Topchter der Köingin Tess 1
überhaupt noch etwas Sauberes auf der Welt geben mochte. Duncans Wasser würde diese schwarze Schmiere aus Pferdeschweiß und Schmutz jedenfalls nicht beseitigen.
Ich nahm eine Bewegung am anderen Ende der Wiese wahr und vergewisserte mich hastig, dass meine Röcke wieder richtig saßen. Ein scharfer Stich in der Schulter ließ mich unwillkürlich die Hand heben und zuschlagen.
Meine Hand traf aber nicht auf ein Insekt, sondern glattes Holz. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich einen winzigen, schwarz beringten hölzernen Pfeil herauszog.
Er hatte mich gefunden.
In Panik blickte ich auf. Ein schwarzes Pferd schoss unter den Bäumen hervor und über die Wiese auf mich zu. Auf seinem Rücken saß Jeck, tief nach vorn geneigt und mit flatterndem Umhang – er sah aus wie der Tod persönlich.
»Duncan!«, schrie ich und stürzte mich ins Gebüsch. Hinter einem Baum versteckt, tastete ich hektisch nach meinem Blasrohr. Ich spähte um den Eichenstamm herum, und mein Gesicht wurde kalt, als ich erst einen, dann noch einen Pfeil abschoss, aber keinerlei Wirkung damit erzielte. Ich schnappte nach Luft und rannte los, wobei ich immer wieder strauchelte, weil mein Willen schneller war als meine Füße.
»Duncan!«, schrie ich, als ich ihn entdeckte. Er war zu weit weg. Zweige knackten, als das schwarze Pferd scharf anhielt. »Nein!«, kreischte ich, als sich ein Arm um meine Taille schlang. Ich stieß mit einem Pfeil zu. Fluchend ließ Jeck mich fallen, zog meine beinerne Nadel aus seinem dicken Lederwams und zerbrach sie mit einer in Leder gehüllten Hand.
Ich schlug hart auf dem Boden auf. Jeck folgte mir. Ich hielt meinen letzten Pfeil wie einen Dolch und versuchte aufzustehen. Jeck erwischte mich auf halbem Weg nach oben und packte mich so fest im Genick, dass ich aufjaulte. Seine andere Hand legte sich um mein Handgelenk und drückte zu. Meine Finger erschlafften. Die letzte Nadel fiel zu Boden.
»Prinzessin«, knurrte er, und ich wurde wie ein Sack Fische quer über die Schulter des Pferdes geworfen. »He-ya!«, rief Jeck und sprang mit einem Satz hinter mir aufs Reitkissen. Mein Bauch tat weh. Ich rang nach Luft, als das Pferd lossprengte.
»Lasst mich los«, keuchte ich. Büsche und Bäume rasten in verschwommenem Grün an mir vorbei, als wir den Pfad entlangjagten. Ich holte mühsam Luft und trat dem Pferd mit einem Knie in die Schulter. Es wieherte vor Schmerz, bäumte sich auf und warf uns beinahe ab.
»Ruhig, Prinzessin«, sagte Jeck, als die Pferdehufe wieder fest auf dem Boden standen und wir weiterritten. »Könntest du dich etwas weniger energisch zur Wehr setzen?«
Seine Stimme klang beiläufig, und das machte mich erst recht wütend. »Lasst mich los!«, schrie ich und verdrehte mich, so gut es ging, um ihm die Faust in den Bauch zu rammen. Er stöhnte, doch ich hatte nicht genug Kraft in den Schlag legen können, um mehr zu erreichen, als ihn zu reizen.
»Hör auf damit«, sagte er. »Du hast um dieses Treffen gebeten, nicht ich. Deine Spur war jedenfalls sehr deutlich.«
Spur?, dachte ich, erschlaffte vor Überraschung und rang keuchend nach Atem. Kavenlows Spur aus Blättern? Jeck kannte ihre Bedeutung?
»Du bist also Kavenlows Lehrling«, sagte Jeck und verwirrte mich damit noch mehr. »Ist mir ein Vergnügen.«
Jeck kennt Kavenlow? Ich neigte den Kopf zur Seite und wurde von den Bewegungen des Pferdes durchgerüttelt. Jeck lächelte hinter seinem adretten schwarzen Bart. Ich spürte, wie er die Beine anspannte, und das Pferd wechselte in eine langsamere Gangart.
»Erst dachte ich, es sei dein Dienstmädchen, das so plötzlich verschwunden war«, fuhr er fort, den Blick auf den Weg zurück zum Palast gerichtet. »Aber nur eine Spielerin hätte so schnell aus dem Palast entkommen können wie du. Und nur eine Spielerin konnte Pfeilgift besitzen. Was für ein Pech, dass Kavenlow ausgerechnet dann in diesem seltsamen Auftrag unterwegs ist, da er am dringendsten gebraucht wird. Er muss dir voll vertrauen, wenn er bereit ist, dich für ihn sprechen zu lassen. Aber du leidest wirklich ein wenig an Verfolgungswahn, nicht wahr? Mich den ganzen Weg bis hier herauszulocken, um zu verhandeln? Der Turm hätte es auch getan.«
Ich atmete dankbar auf, als sich die Bewegungen des Pferdes verlangsamten. Wovon sprach er nur? Er wusste, dass ich nicht die Prinzessin war und daher mit irgendwelchen Verhandlungen und Verträgen nichts zu tun hatte. »Lasst mich wenigstens sitzen«, bat ich, denn mein
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