Topkapi
könnte ich immerhin denken: ›Dieser Mann hat zwar ein Strafregister, aber es könnte ja möglich sein, daß er einmal die Wahrheit sagt.‹ So wie die Dinge liegen, kann ich nur annehmen, daß Sie lügen und daß ich die Wahrheit auf andere Art herausbekommen muß.«
Ich gebe zu, daß das »auf andere Art« mir einen Ruck gab. Er wollte mir Angst einjagen, mich in Panikstimmung bringen. Und leider gelang ihm das.
»Ich sage die Wahrheit, Sir.« Meine Stimme war heiser und zitterte, und ich konnte nichts dagegen tun. »Ich schwöre, daß ich die Wahrheit sage. Ich habe nur den einen Wunsch, Ihnen alles zu sagen, was ich weiß, alles, um es aus dem Dunkel ans Licht des Tages zu bringen.«
Er sah mich erstaunt an; und dann, als mir klar wurde, was ich gesagt hatte, spürte ich, wie ich rot wurde.
Entsetzlich. Ich hatte wirklich diese blödsinnigen Worte gebraucht, die Harper mir in jenem Geständnis diktiert hatte.
Er lächelte voller Ironie. »Ach ja, ich vergaß, daß Sie Journalist gewesen sind. Also noch mal: Ich will keine Erbauungsreden, sondern schlichte Tatsachen.«
»Natürlich.« Ich war zu verwirrt, um klar zu denken.
»Warum gingen Sie anno fünfundfünfzig nach London? Sie müssen doch gewußt haben, daß Scotland Yard über Sie Bescheid wußte.«
»Wie sollte ich das wissen? Ich war schon jahrelang aus England weg.«
»Wo waren Sie während des Krieges?«
»In Kairo, kriegsdienstverpflichtet.«
»Was für ein Kriegsdienst?«
»Ich war Dolmetscher.«
»Warum gingen Sie nach London?«
Ich räusperte mich und nahm einen Schluck Raki.
»Antworten Sie!«
Es blieb mir nichts anderes übrig. »Der britische Vertreter für unsere Publikationen stellte plötzlich seine Zahlungen ein. Er beantwortete unsere Briefe nicht mehr. Ich fuhr nach England, um nach dem Rechten zu sehen, und fand sein Büro geschlossen. Ich nahm an, daß er sich von dem Geschäft zurückgezogen hatte, und machte mich auf die Suche nach einem anderen Vertreter. Der Mann, mit dem ich Verhandlungen aufnahm, gab sich schließlich als Detektiv von Scotland Yard zu erkennen. Wir pflegten unsere Sendungen in Baumwollballen nach Liverpool zu verschiffen. Anscheinend war der Zoll dahintergekommen und hatte die Polizei informiert. Unser Vertreter war verhaftet worden. Die Polizei hatte nichts darüber veröffentlichen lassen. Ich ging in die Falle.«
»Besser, viel besser«, sagte er. Er sah mich beinahe freundlich an. »Natürlich hatten Sie nun einen Groll auf die Briten.«
Ich hätte mich einer Bemerkung erinnern sollen, die er zuvor gemacht hatte, aber ich war noch zu verwirrt. Ich versuchte, ihm zuvorzukommen.
»Ich war der Meinung, daß mir in dem Verfahren keine Gerechtigkeit widerfahren war. Aber später wurde mir klar, daß die Polizei einfach an ihre Weisungen gebunden war« – ich dachte, das würde ihm einleuchten – »und daß sie nicht für die Gesetze verantwortlich war. Also bemühte ich mich, ein Mustergefangener zu sein. Ich glaube, ich war es auch. Auf jeden Fall wurde ich wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Ich konnte mich nicht im geringsten über die Behandlung beklagen, die ich in Maidstone erfahren hatte. Der Gefängnisdirektor schüttelte mir zum Abschied sogar die Hand und wünschte mir alles Gute.«
»Und dann kehrten Sie nach Ägypten zurück?«
»Sowie meine Bewährungsfrist abgelaufen war, ging ich nach Kairo zurück, Sir.«
»Wo Sie den ägyptischen Behörden einen britischen Geschäftsmann namens Colby Evans als britischen Geheimagenten denunzierten.«
Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Aber diesmal verlor ich nicht den Kopf. »Nicht sofort, Sir. Das war später, während der Suezkrise.«
»Und warum taten Sie das?«
Ich wußte nicht, was ich antworten sollte. Wie konnte ich diesem Mann erklären, daß ich die Prügel zurückzahlen wollte, die sie mir gegeben hatten! Ich sagte nichts.
»War es, weil Sie den ägyptischen Behörden irgendwie beweisen mußten, daß Sie antibritisch eingestellt waren? Oder weil Sie den Mann nicht leiden konnten? Oder weil Sie wirklich antibritisch waren?«
Wohl aus allen drei Gründen; ich weiß es selbst nicht genau. Ich antwortete, beinahe ohne nachzudenken. »Meine Mutter war Ägypterin. Meine Frau starb bei einem britischen Bombenangriff. Warum sollte ich nicht wirklich antibritische Gefühle haben?«
Es war die beste Antwort, die ich bisher gegeben hatte; es klang, als sei es wahr, wenn es auch nicht ganz stimmte.
»Glaubten Sie wirklich, daß
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