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Topkapi

Topkapi

Titel: Topkapi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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ist?«
    »Ja.«
    »Holen Sie den Wagen jetzt sofort und fahren Sie die Straße nach Sariyer. In Yeniköy schauen Sie auf den Kilometerzähler und fahren dann noch genau sechs Kilometer Richtung Sariyer. Rechter Hand kommen Sie an einen Pier, an dem ein paar Boote vertäut liegen. Auf der linken Straßenseite gegenüber dem Pier sehen Sie eine Einfahrt zu einer Villa. Der Name der Villa ist Sardunya. Ist das klar?«
    »Ja.«
    »In etwa vierzig Minuten müßten Sie es schaffen. Verstanden?«
    »Ich fahre sofort los.«
    Sariyer ist ein kleiner Fischerhafen am anderen Ende des Bosporus, wo er sich zum Schwarzen Meer hin weitet, und die Straße von Istanbul nach Sariyer verläuft an der europäischen Küste entlang. Ich überlegte, ob ich versuchen sollte, Tufan noch vor der Abfahrt zu erreichen und ihm die Adresse, die ich bekommen hatte, anzugeben, sah aber dann davon ab. Sicher hatte er Harper vom Flughafen aus verfolgen lassen, und sie würden mir auf jeden Fall zur Villa folgen. Ein Bericht war also überflüssig.
    Ich ging zur Garage, zahlte die Rechnung und holte den Wagen. Der abendliche Stoßverkehr hatte bereits eingesetzt, und ich brauchte zwanzig Minuten, um aus der Innenstadt herauszukommen. Viertel vor sechs erreichte ich Yeniköy. Der gleiche Peugeot, der mir von Edirne gefolgt war, folgte mir jetzt wieder. Ich ging einen Augenblick mit der Geschwindigkeit herunter, um nach dem Kilometerstand zu sehen, und gab dann wieder Gas.
    Villen am Bosporus gibt es viele; kleine Ferienhäuschen mit primitiven Bootshäusern, aber auch wahre Paläste. Bevor Ankara Hauptstadt wurde, residierte das Diplomatische Corps im Sommer am Bosporus, über den die kühlen Brisen vom Schwarzen Meer streichen, wenn über der Stadt die Hitze brütet. Kösk Sardunya hätte früher die Sommerresidenz irgendeiner Botschaft gewesen sein können.
    Die Einfahrt war von gewaltigen Steinpfeilern mit schmiedeeisernen Gittern flankiert. Die Zufahrt selbst war etliche hundert Meter lang und wand sich den Hügel hinauf zwischen einer Allee großer Bäume, die die Sicht auf das Haus von der Straße unten verdeckten. Sie mündete auf einen gekiesten Vorplatz vor der Villa.
    Ein weißes, stuckverziertes Gebäude in jenem Zuckerbäckerstil, wie man ihn in den älteren Vierteln von Nizza und Monte Carlo findet. Es war alles da: eine Terrasse mit Pfeilern und Balustraden, Balkone, Marmorstufen zur Vorhalle hinauf, ein Springbrunnen im Vorgarten, Statuen und ein wundervoller Blick über den Bosporus – ein riesiger Besitz, aber auch heruntergekommen. Der Stuck blätterte ab, die Fenstersimse hatten Risse oder waren zum Teil schon ganz abgefallen. Der Springbrunnen führte kein Wasser. Der Vorgarten war von Unkraut überwuchert.
    Als ich vorfuhr, sah ich, wie Fischer sich von einem Stuhl auf der Terrasse erhob und ins Haus ging. Ich brachte den Wagen vor den Marmorstufen zum Stehen und wartete. Ein paar Sekunden später erschien Harper unter der Tür, und ich stieg aus. Er kam die Treppen herunter.
    »Warum kommen Sie so spät?«
    »Sie mußten in der Garage erst noch die Rechnung ausschreiben, und dann war es schwer, durch den Abendverkehr zu kommen.«
    »Nun …« Er unterbrach sich, als er bemerkte, daß ich an ihm vorbei und über seine Schulter blickte.
    Eine Frau kam die Treppe herunter.
    Er lächelte. »Ah, ja. Ich vergaß. Sie kennen Ihren Arbeitgeber ja noch nicht. Liebling, das ist Arthur Simpson. Arthur, das ist Miss Lipp.«

V
    Es gibt Männer, die imstande sind, das Alter einer Frau auf einen Blick zu schätzen. Ich gehöre nicht zu ihnen. Wahrscheinlich kommt es daher, daß ich, trotz meiner Mutter, die Frauen im Grunde respektiere. Das muß es sein. Wenn sie sehr attraktiv, aber offensichtlich keine jungen Mädchen mehr sind, schätze ich sie immer auf achtundzwanzig. Wenn die Frauen sich ein bißchen gehengelassen haben, aber durchaus noch nicht alt sind, auf fünfundvierzig. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund denke ich nie an ein Alter zwischen diesen beiden Jahrgängen – oder gar jenseits.
    Miss Lipp schätzte ich auf achtundzwanzig. In Wirklichkeit war sie sechsunddreißig; aber das erfuhr ich erst später. Sie war groß, mit kurzgeschnittenem, bräunlichblondem Haar. Sie hatte eine Figur, die man nicht übersehen konnte, egal, womit sie bekleidet war. Ihr Blick, herausfordernd, schläfrig und belustigt zugleich, und der volle, fröhliche Mund gaben zu verstehen, daß sie wußte, daß jeder Mann fasziniert die Bewegungen ihres

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