Topkapi
fände.«
»Wahrscheinlich ist das auch klüger. Schön, das ist alles.«
Ich hatte nicht die geringste Absicht, irgendein Risiko einzugehen, wenn es sich vermeiden ließ. Meine Absicht war nur, so weit mitzuspielen, um Tufan zu befriedigen und irgendwie von Harper meinen Brief zurückzubekommen, bevor Tufans Leute ihn schnappten. Ich war absolut sicher, daß er geschnappt würde. Er mußte geschnappt werden!
Tufan blieb zurück und telefonierte. Als ich mit dem Leutnant durch die langen Flure zurückging, warf er mir einen verstohlenen Blick zu, als frage er sich, ob er mit jemandem, der so gut mit dem mächtigen Major Tufan zu stehen schien, höflich Konversation machen oder lieber gar nichts sagen und die Finger heraushalten sollte. Am Ende entschloß er sich zu einem höflichen »Gute Nacht«.
Der Peugeot stand noch draußen. Der Fahrer warf einen Blick auf das Radio, das ich bei mir trug. Ich fragte mich, ob er wußte, daß es umgebaut war, aber er sagte nichts dazu. Wir fuhren schweigend ins Hotel zurück. Ich bedankte mich, und er nickte freundlich und streichelte sein Steuer. »Auf den engen Straßen ist der besser«, sagte er.
Die Terrasse war schon zu. Ich ging in die Bar. Ich mußte den Dolmabahce-Palast erst mal wieder loswerden.
»Verschwörung« hatte Tufan gesagt. Das Touristenidyll, das die drei, Harper, Lipp und Fischer, inszeniert hatten, war zweifellos nur Tarnung; aber diese Dolchim-Gewand-Geschichte mit Staatsstreich und Attentatsplänen konnte ich einfach nicht schlucken. Sogar im Palast, wo ich unter einem Gemälde saß, aus dem mich ein halbabgesetzter Sultan anstarrte, war ich damit nicht zurechtgekommen. Nun erst in einer Hotelbar mit einem Schnaps vor mir – offen gestanden, ich glaubte kein Wort davon.
Ich kannte die betreffenden Leute – oder hatte sie zumindest gesehen –, und Tufan kannte nicht einen von ihnen. Plötzlich sah mein geistiges Auge Major Tufan picht als Kommandeur eines Exekutionskommandos, sondern als militärische alte Jungfer, die dauernd Geheimagenten und Attentäter unter ihrem Bett suchte – mit einem Wort: ein typischer Abwehrmann.
Ein paar Augenblicke lang fand ich das alles beinahe komisch. Dann dachte ich an die Wagentüren und die Waffen und die Gasmasken und die Bomben, und mein Barometer sank wieder auf Null.
Wenn diese Teufelsdinger nicht gewesen wären, hätte ich zwei Tips gehabt bezüglich der Harper-Clique. Und mit einem von beiden wäre ich bestimmt richtig gelegen. Mein erster Tip wäre Rauschgift gewesen. In der Türkei wird Opium angebaut. Wenn man das nötige technische Personal hatte – Fischer, der »Fabrikant«, Lipp, die »Studentin« –, brauchte man nur noch einen ruhigen, abgelegenen Ort wie das Kösk Sardunya, in dem man Heroin herstellen konnte, und einen Organisator – Harper natürlich –, der den Vertrieb in die Hand nahm.
Mein zweiter Tip wäre eine Luxusvariation zum klassischen Gaunertrio gewesen. Die Komödie beginnt in der romantischen Villa am Bosporus, in der die schöne, blaublütige Prinzessin Lipp residiert, deren Familie einst große Besitzungen in Rumänien hatte, ferner ihr treuer Knappe Andreas (Fischer) und ein Schlappschwanz von einem Multimillionär, der der schönen Dame verfallen ist. Wenn der Millionär gerade zum letzten Sturm auf die Festung ansetzt, tritt der grausame, böse, gefährliche Prinzgemahl (Harper) auf, der damit droht, die Geschichte in allen Details – mit Fotos natürlich – an sämtliche Zeitungen zwischen Istanbul und Los Angeles zu geben, wenn nicht … Der Millionär zahlt und verschwindet mit zitternden Knien. Vorhang.
Aber alles in allem hätte ich doch wohl eher auf Rauschgift getippt. Nicht daß ich mir Harper nicht in der Rolle des Erpressers vorstellen konnte – ich wußte nur zu gut, daß er sie beherrschte. Aber Kosten und Ausmaß der Vorarbeiten ließen vermuten, daß große Gewinne erwartet wurden. Wenn der Vorrat an leichtgläubigen Millionären in der Istanbuler Gegend nicht ganz plötzlich aufgestockt worden war, erschien es mir wahrscheinlicher, daß die Hoffnung sich auf ein erfolgreiches Rauschgiftunternehmen gründete.
Ich hielt das so offensichtlich für die richtige Lösung, daß ich mich wieder mit den Bomben und Revolvern beschäftigte. Vielleicht waren sie nichts anderes als eine Art Tauschobjekt. Angenommen, Harper hatte sie nicht zum eigenen Gebrauch geschmuggelt, sondern für irgendeinen Türken mit politischen Ambitionen, für die Tufan sich
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