Topkapi
Palast nicht. Ein Mann, der größer war als alle Sultane, größer noch als Suleiman, starb hier.« Er warf mir einen harten, herausfordernden Blick zu.
Ich nickte hastig. Er stimmte einen langen Haßgesang an über die Schändlichkeiten der Bayar-Menderes-Regierung und erläuterte, warum es Pflicht der Armee gewesen sei, das Rattennest auszuräuchern und das Komitee der Nationalen Union zu bilden. Über die Notwendigkeit, alle ohne Gnade niederzuschießen, die versuchten, die Arbeit des Komitees zunichte zu machen, besonders diejenigen Mitglieder der Demokratischen Partei, die sich der Gerechtigkeit durch die Hände der Armee entzogen hatten, geriet er so in Rage, daß er noch immer mit Stentorstimme auf mich einredete, als Major Tufan das Zimmer betrat.
Der Leutnant tat mir beinahe leid. Er knallte die Hacken zusammen und murmelte unzusammenhängende Entschuldigungen. Tufan war bereits in Zivil eine eindrucksvolle Gestalt gewesen; in Uniform und mit einem Revolver am Koppel sah er aus, als sei er zur Übernahme eines Exekutionskommandos detachiert. Er hörte dem Leutnant etwa fünf Sekunden lang zu, dann entließ er ihn mit einer knappen Handbewegung.
Erst als die Tür sich hinter dem Leutnant geschlossen hatte, schien Tufan mich zu bemerken. »Wissen Sie, daß Präsident Kemal Atatürk in diesem Palast gestorben ist?« fragte er.
»Der Leutnant sagte so etwas.«
»Im Jahre neunzehnhundertachtunddreißig. Der Direktor war viel mit ihm zusammen vor seinem Tode, und der Präsident sprach offen mit ihm. Einen Satz, den er einmal sagte, hat der Direktor nie vergessen: ›Wenn ich noch fünfzehn Jahre zu leben habe, kann ich aus der Türkei eine Demokratie machen. Wenn ich früher sterbe, wird es drei Generationen dauern.‹ Er dachte dabei wohl an Schwierigkeiten von der Art dieses jungen Offiziers.« Er legte die Aktentasche auf den Tisch und setzte sich. »Nun zu Ihren Schwierigkeiten. Wir hatten beide Zeit, darüber nachzudenken. Was schlagen Sie vor?«
»Bevor ich nicht weiß, wie es in der Villa sein wird, glaube ich, nichts vorschlagen zu können.«
»Sie werden den Wagen hin und wieder auftanken müssen. Am Rande von Sariyer ist eine Garage, zu der Sie gehen können. Sie hat Telefon.«
»Ich habe auch daran gedacht, aber es wird nicht regelmäßig klappen. Es hängt davon ab, wieviel der Wagen gefahren wird. Wenn ich zum Beispiel nur nach Istanbul und wieder zurück fahre, kann ich nicht sofort behaupten, daß ich wieder Benzin brauche. Der Tank faßt über hundert Liter. Wenn ich immer zu einer bestimmten Zeit zur Garage fahre, um aufzutanken, werden sie mißtrauisch.«
»Die feste Zeit können wir streichen. Ich habe einen Vierundzwanzig-Stunden-Bereitschaftsdienst angeordnet. Und wenn Sie Schwierigkeiten voraussehen, müßten Sie zusehen, daß Sie einmal noch anrufen, um darüber zu berichten. Danach werden wir, wenn es notwendig sein sollte, auf eine andere Übermittlungsmethode übergehen. Das Risiko für Sie wird größer sein, aber das läßt sich nicht vermeiden. Sie werden Ihre Berichte schreiben müssen. Dann werden Sie den Bericht in eine leere Zigarettenpackung stecken. Der Mann, der auf Sie angesetzt ist – ich habe dafür gesorgt, daß der Wagen täglich ausgewechselt wird –, wird dann die Berichte aufheben.«
»Soll das heißen, ich soll sie aus dem Fenster werfen und hoffen, daß die andern nichts merken?«
»Natürlich nicht. Sie werden sie in einem günstigen Augenblick fallen lassen, wenn Sie den Wagen geparkt haben und ausgestiegen sind.«
Ich überlegte mir die Sache; das war wohl durchführbar. Ich mußte nur dafür sorgen, daß ich genügend Zigarettenpackungen hatte. Weniger gefiel mir, daß ich die Berichte schriftlich machen sollte. Ich sagte es ihm.
»Darin liegt ein gewisses Risiko, das stimmt; aber das müssen Sie eingehen. Man wird Sie nur durchsuchen, wenn Sie ihnen Grund zu einem Verdacht gegeben haben. Sie müssen darauf achten, daß dieser Fall gar nicht erst eintritt.«
»Aber ich muß die Berichte unbeobachtet schreiben können.«
»Das können Sie auf der Toilette machen. Ich glaube nicht, daß man Sie dort beobachtet. Jetzt zur Nachrichten- und Befehlsübermittlung an Sie.« Er öffnete seine Aktentasche und nahm ein kleines, tragbares Transistorradio heraus, wie ich es schon häufig bei deutschen Touristen gesehen hatte. »Das stecken Sie in Ihren Koffer. Sollte man es sehen, oder sollte jemand zufällig mithören, wenn Sie es benützen, dann sagen Sie,
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