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Topkapi

Topkapi

Titel: Topkapi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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und begann, das Seil einzuziehen. Er war nicht einmal außer Atem nach allem, was er getan hatte.
    Fischer übernahm jetzt die Führung. Er führte uns an der Außenmauer entlang parallel zur Straße, über die tagsüber die Touristenautos fuhren. Miller ging hinter mir. Nach ein, zwei Minuten sahen wir die Lichter der Wachstube neben dem großen Bab-i-Hümayun-Tor, und Fischer ging langsamer. Wir hatten uns im Schatten einer Baumreihe vorwärts bewegt, die jetzt aber zu Ende ging. Fünfzig Meter weiter rechts erhoben sich die Umrisse von St. Irenen; davor gabelte sich die Straße, rechts ging es zum Tor, links verengte sie sich und wand sich in vielen Kurven zur See hinunter.
    Fischer stoppte und starrte auf das Tor.
    Es war nun etwa fünfzig Meter von uns entfernt. Ich konnte den Posten sehen. Er hatte das Gewehr über die Schulter gehängt und bohrte sich in der Nase.
    Fischers Mund schob sich an mein Ohr. »Wie spät ist es?«
    »Fünf vor zehn.«
    »Wir warten.«
    »Worauf?«
    »Wir müssen links über den Berg hinunter. Die Wache wechselt in fünf Minuten. Dann ist es sicherer.«
    »Wohin gehen wir dann?«
    »Zur Bahnlinie – wo sie über die Mauer hinwegführt.«
    Ein Teil der Bahnlinie verlief entlang der Küste über einen guten Kilometer innerhalb der Mauer; aber ich wußte, daß an beiden Enden Posten standen. Ich sagte es ihm.
    Er grinste. »Posten, ja. Aber keine Tore.«
    Miller zischte eine Warnung.
    Als die Tür der Wachstube sich öffnete, fiel ein Lichtstreifen heraus. Einen Augenblick lang erschienen die Silhouetten von zwei Männern auf der Schwelle. Als dann der Postenwechsel begann, berührte Fischer meinen Arm.
    »Jetzt.«
    Er löste sich aus dem Schatten der Bäume und lief durch das bräunliche Gras zur Straße. Sie fiel scharf ab und wurde dann schmal wie ein Fußpfad. Nach etwa einer halben Minute verbarg uns der Hügel vor den Augen der Posten. Fischer warf einen Blick zurück, um sich zu vergewissern, daß wir folgten, und schlug dann eine langsamere Gangart an.
    Vor uns lag ein schmaler Wasserstreifen, und dahinter glitzerten die Lichter von Selimiye und Haydarpasar auf der asiatischen Seite. Andere Lichter bewegten sich über das Wasser – die Fähre und kleine Fischerboote. Bei Tageslicht verschwenden Touristen mit Filmkameras Hunderte von Filmmetern an diesen Ausblick. Er ist wirklich sehr schön. Ich persönlich will ihn nie wieder sehen – weder bei Tages- noch bei sonstigem Licht.
    Nachdem wir ein paar Minuten gegangen waren, stießen wir auf einen neuen Pfad, der nach rechts zur Außenmauer abbog. Fischer überquerte ihn. Er ging geradeaus weiter über einen Streifen Ödland, auf dem sich Erdhaufen von archäologischen Ausgrabungen türmten. Ein Stück war terrassenförmig angelegt, als ob es einmal ein Weinberg gewesen sei. Unten verlief der Bahndamm.
    Entlang dem Bahndamm war ein Holzzaun gezogen. Miller und ich warteten, während Fischer das beschädigte Stück suchte, das er bei einem früheren Erkundungsgang als günstigste Stelle zum Durchbruch ausgewählt hatte. Es war etwa dreißig Meter rechts von uns. Wir kletterten über herumliegende Holzlatten bis zum Bahndamm und setzten unseren Marsch im Abflußgraben am Damm entlang fort. Fünf Minuten später bekamen wir die große Mauer wieder ins Blickfeld. Etwa dreißig Meter weiter war der Bahndamm zu Ende. Wenn wir weiter gehen wollten, mußten wir hinaufklettern und zwischen den Schienen die Brücke überqueren.
    Fischer blieb stehen und drehte sich um. »Wie spät ist es?«
    »Zehn Uhr fünfzehn«, sagte Miller. »Wo ist der Posten?«
    »Auf der anderen Seite der Brücke, hundert Meter von hier.«
    Er wandte sich an mich. »Hören Sie. Bald kommt ein Zug vorbei. Wenn er über die Brücke fährt, klettern wir auf den Damm hinauf. Sowie der letzte Wagen vorbei ist, folgen wir ihm entlang der Schienen in Schrittgeschwindigkeit. Wenn wir etwa zwanzig Meter gegangen sind, werden wir vor uns eine laute Explosion hören. Dann fangen wir an zu laufen, aber nicht zu schnell. Haben Sie schon einmal Tränengas gerochen?«
    »Ja.«
    »Sie werden es wieder riechen, aber keine Angst. Es handelt sich um unser Tränengas. Rauch wird es auch geben, aber wieder unseren Rauch. Der Zug wird eben durch sein. Die Posten wissen nicht, was los ist. Vielleicht glauben sie, der Zug hat Dampf abgelassen. Das spielt kein Rolle. Vor lauter Tränengas und Rauch können sie nichts mehr sehen und nichts mehr denken. Wenn einer sich zu sehr anstrengt,

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