Tor der Daemmerung
Überrascht erwiderte ich es. Wenigstens schienen diese beiden nichts auf das Geschwätz einer gewissen Person zu geben. Andererseits hatte ich auch noch nie mitbekommen, dass Ruth mit Zeke oder Jebbadiah über mich geredet hätte. »Warum benutzt ihr keine Schusswaffen?«, fragte ich, da ich ja wusste, dass Zeke eine Pistole hatte, außerdem schleppte Jeb immer eine abgesägte Schrotflinte mit sich herum. Zeke schüttelte nur den Kopf.
»Wir haben nur sehr wenig Munition«, antwortete er. »Wir benutzen die Schusswaffen nur zur Verteidigung oder im äußersten Notfall. Also bleiben für diesen Zweck nur die Bogen und angesammelten Pfeile für die Jagd.«
Ich blickte zu Boden. Dort lag ein dritter Bogen, ordentlich in wasserfesten Stoff eingewickelt. An der Spitze, die daraus hervorlugte, konnte ich sehen, dass er noch nicht bespannt war. Zeke folgte meinem Blick und seufzte wieder. »Normalerweise kommt Jake immer mit«, erklärte er. »Aber in letzter Zeit macht ihm seine Schulter zu schaffen und er hat nicht genug Kraft, um die Sehne zu spannen.«
»Ich könnte mitkommen.«
Die Jungs sahen sich zweifelnd an. Ohne auf Darrens skeptische Miene zu achten, fuhr ich fort: »Ich lerne schnell. Ich bin leise und stärker als ihr glaubt. Es dauert bestimmt nicht lange, bis ich den Dreh raus habe.«
»Das ist es nicht«, wandte Zeke zögernd ein. »Sondern … ich will nicht, dass du Ärger mit Jeb kriegst, vielleicht überlegt er es sich dann noch einmal anders, was deine Aufnahme in die Gruppe angeht.« Mit dem Daumen zeigte er nachlässig auf seinen Freund. »Dare läuft mir sowieso hinterher wie ein verlorenes Hündchen, von ihm erwartet man schon nichts anderes mehr.« Geschickt wich er dem Dreckklumpen aus, der auf sein Gesicht zuflog. »Aber du bist neu bei uns, und es wird ihm nicht gefallen, wenn du dich von der Gruppe entfernst. Wahrscheinlich ist es besser, wenn du vorerst hierbleibst. Tut mir leid.«
Empört musterte ich die beiden. Das verletzte meine Vampirehre. Wenn ihr wüsstet! Ich könnte ein ausgewachsenes Reh erlegen, bevor ihr überhaupt begreift, dass es da ist. Doch ich behielt meinen Protest für mich und sagte achselzuckend: »Wenn du meinst.«
»Vielleicht beim nächsten Mal, ja?«, schlug Darren mit einem munteren Zwinkern vor. »Dann zeige ich dir, wie man das macht.« Ich bedachte ihn mit einem gereizten Blick, aber Zeke griff schon nach seinem Bogen und erhob sich.
»Dann mal los«, sagte er und streckte sich ausgiebig. »Ohne mich wird Jeb nicht aufbrechen – hoffe ich zumindest –, also nehme ich eine mögliche Bestrafung auf meine Kappe. Die Leute brauchen etwas zu essen, ob ihm das nun passt oder nicht.« Als ich ebenfalls aufstand, wandte er sich an mich: »Würdest du Jeb sagen, was wir vorhaben, Allison?«, fragte er grinsend. »Natürlich erst, wenn wir einen guten Vorsprung haben. Fertig, Dare?«
»Klar doch.« Seufzend schlang sich Darren Bogen und Köcher über die Schulter. »Lasset die sinnlosen Spiele beginnen.«
Zeke verdrehte die Augen, schubste seinen Freund halbherzig vor sich her und wandte sich ab. Darren wollte sich mit einem Schlag revanchieren, verlor aber fast das Gleichgewicht, als sein Gegner auswich und grinsend rückwärts weiterlief. Eilig rannte er hinter Zeke her. Ich beobachtete, wie die beiden schlanken Gestalten in die Dunkelheit eintauchten, immer kleiner wurden und schließlich hinter einem Hügel verschwanden.
Dann bückte ich mich, hob den zurückgebliebenen Bogen samt Köcher auf und wollte mich in die andere Richtung davonmachen.
»Was soll das denn werden?«
Mit einem tiefen Seufzer drehte ich mich zu Ruth um, die mit zwei dampfenden Schalen in der Hand hinter mir aufgetaucht war und mich wie immer missbilligend anstarrte.
»Willst dich wohl davonschleichen, was?« Misstrauisch kniff sie die Augen zusammen. »Das wird Jeb gar nicht gefallen. Wo soll’s denn hingehen?«
»Warum denkst du dir nicht einfach irgendetwas aus?«, erwiderte ich und machte einen Schritt in ihre Richtung. Befriedigt registrierte ich, wie sie vor mir zurückwich. »Das machst du doch sowieso schon die ganze Zeit, oder etwa nicht?« Als sie rot anlief, grinste ich breit. »Mir ist aufgefallen, dass du Zeke und Jeb geflissentlich auslässt, wenn du deine Lügen verbreitest. Hast du etwa Angst, sie könnten deine gespaltene Zunge bemerken?«
Sie schien kurz davor, mir eine runterzuhauen, und ein kleiner Teil von mir wünschte sich, sie würde es tun. Mit einer
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