Tor der Daemmerung
ich die Stirn. Als Zeke mein Zögern bemerkte, trat er dicht neben mich und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Wir können ihn doch nicht einfach hier lassen«, beharrte er. »Die Wunde scheint tief zu sein, und er hat viel Blut verloren.«
»Ganz genau«, zischte ich. »Wahrscheinlich hat er bereits alle Verseuchten im Umkreis von zehn Kilometern angelockt. Scheint mir kein so guter Plan zu sein, sie scharenweise zu bekämpfen, nur für irgendeinen Fremden.«
»Ich werde ihn nicht hier zurücklassen«, erwiderte Zeke stur. »Fremder hin oder her, ich werde nicht einfach einen Mitmenschen hier draußen verrecken lassen.« In seinen Augen blitzte ein stählerner Funke und er flüsterte noch leiser: »Ich werde nicht zulassen, dass er von seelenlosen Dämonen in Stücke gerissen wird – auf gar keinen Fall. Also, entweder hilfst du mir, oder du gehst mit Darren zu den anderen zurück.«
»Verdammt noch mal«, knurrte ich, aber Zeke hatte sich bereits abgewandt. Der dumme Junge konnte natürlich nicht wissen, dass es hier nicht nur die Verseuchten gab, die er fürchten musste. Dieser Mann verströmte einen unwiderstehlichen Blutgeruch und hatte damit in meinem Inneren den Hunger erwachen lassen. Meine Fangzähne bohrten sich immer stärker durchs Zahnfleisch und ich glaubte schon zu spüren, wie sich diese berauschende Wärme auf meiner Zunge ausbreitete. Doch Zeke war bereits dabei, dem Verletzten zu helfen, er legte sich seinen Arm um die Schultern und zog ihn auf die Füße. Der Mann stöhnte und stützte sich auf seinen jungen Helfer, um das verwundete Bein zu entlasten. Zeke taumelte unter dem zusätzlichen Gewicht.
»Verdammt«, fauchte ich wieder, dann ging ich zur freien Seite des Menschen und legte mir seinen zweiten Arm um den Hals. Wenn ich nicht atmete und aufhörte, mir ständig auszumalen, wie ich ihm die Fänge in den Hals schlug, bekamen wir das vielleicht hin.
»Vielen Dank«, sagte der Mann keuchend, während wir entmutigend langsam durch den dunklen Wald stolperten. »Ich heiße Archer, Joe Archer. Meiner Familie gehört dieses Land, oder zumindest war es so, bis die große Epidemie kam.«
»Was haben Sie denn so weit weg von zu Hause gemacht, Mr. Archer?«, erkundigte sich Zeke und knirschte mit den Zähnen, als der Mann stolperte. Ich griff fester zu und verhinderte so, dass wir alle hinfielen. »Vor allem nachts, wo die Verseuchten unterwegs sind?«
Joe Archer stieß ein kurzes, verlegenes Lachen aus. »Eine von den verdammten Ziegen hat es durch den Zaun geschafft«, erklärte er kopfschüttelnd. »Tagsüber, wenn die Verseuchten schlafen, halten wir sie draußen. Aber eine von ihnen hat beschlossen, einen Ausflug in den Wald zu machen, und wenn wir einen von den kleinen Scheißern verlieren, fehlt uns ein großer Anteil Fleisch und Milch. Also bin ich losgegangen, um sie zu suchen. Eigentlich wollte ich gar nicht so lange wegbleiben, aber dann wurde es schneller dunkel, als ich erwartet hatte.«
»Sie haben Glück, dass Sie noch leben«, murmelte ich. Wenn sich die beiden doch bloß etwas schneller bewegen würden! »Hätte dieses Schwein öfter zugebissen und nicht nur Ihr Bein zerfetzt, hätten sie jetzt ganz andere Sorgen als eine vermisste Ziege.«
Ich spürte, wie er sich unter meinem Arm versteifte und sein Herzschlag sich beschleunigte. »Ja«, murmelte er, ohne mich anzusehen. »Das war verdammt knapp.«
Wie durch ein Wunder schafften wir es, den Wald zu durch queren, ohne von Verseuchten angegriffen zu werden Trotz des penetranten Blutgeruchs und der unübersehbaren Spur, die wir hinterließen. Als die Bäume immer weniger wurden, standen wir plötzlich am Rand einer großen Lichtung, die vollständig mit Stacheldraht eingezäunt war. Dahinter ragten die Überreste einer modrigen Scheune auf. Sie war völlig überwuchert und schien stark einsturzgefährdet. Ein verrosteter Traktor, der danebenstand, sah nicht viel besser aus.
In der Mitte der Lichtung erhob sich ein flacher Hügel, der durch eine Mauer aus Wellblechplatten, Holzbrettern und Zementblöcken geschützt war. Vor diesem Wall waren in regelmäßigen Abständen große Leuchtfeuer entzündet worden, deren Hitze, Rauch und Licht die Dunkelheit durchdrangen, außerdem entdeckte ich hinter der Mauer einzelne Lichter und verschiedene Bauten.
Vorsichtig halfen wir Joe durch den Stacheldrahtzaun, achteten besonders auf sein kaputtes Bein, und schleppten ihn dann über die Lichtung. Auf halbem Weg hörten wir über
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