Tor der Daemmerung
lauten Schnauben verschränkte ich die Arme vor der Brust. Das ungute Gefühl, das mich kurz zuvor überkommen hatte, war noch nicht ganz verschwunden.
»Was denn, mit dieser Mauer, hinter der sie eingepfercht sind wie Schafe, ständig auf der Hut vor einer Invasion der Verseuchten? Das ist wie eine kleinere Ausgabe von New Covington, nur ohne Vampire.«
Außer einem.
»Sie haben ein Zuhause.« Zeke warf mir einen kurzen Seitenblick zu. »Eine Familie. Sie haben sich ein echtes Leben geschaffen, und auch wenn es nicht hundertprozentig perfekt oder sicher ist, haben sie wenigstens etwas, das sie ihr Eigen nennen können.« Seufzend fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. »Nicht so wie wir, die wir ständig herumwandern und nie wissen, was uns als Nächstes erwartet. Ohne ein Zuhause, zu dem wir zurückkehren könnten.«
Jetzt war die Sehnsucht in seiner Stimme nicht mehr zu überhören. Ich spürte seine Wärme, als unsere Schultern sich streiften. Wir sahen uns nicht an, hielten den Blick fest auf den dunklen Wald gerichtet. »Wie war dein Zuhause?«, fragte ich schließlich sanft. »Vor dieser ganzen Sache, vor der Suche nach Eden. Wo hast du gelebt?«
»In einem kleinen gelben Haus«, murmelte Zeke gedankenverloren. »Im Vorgarten hing eine Reifenschaukel.« Mit einem verlegenen Blinzeln sah er mich an. »Ach, das willst du doch gar nicht hören, oder? Alles ziemlich langweilig, absolut nichts Besonderes.«
Doch ich war verblüfft. Mein gesamtes Leben lang hatte ich geglaubt, jenseits der Vampirstädte gäbe es nur Wildnis und Verseuchte. Die Tatsache, dass es dort draußen noch andere Ansiedlungen gab, sogar kleine Städte, machte mir Mut, auch wenn sie wahrscheinlich weit verstreut lagen. Vielleicht war die Welt ja gar nicht so unbewohnt, wie ich immer vermutet hatte.
Aber das verriet ich ihm nicht. Stattdessen zuckte ich mit den Schultern und sagte: »Erzähl mir davon.«
Zeke nickte und zögerte dann kurz, als müsse er seine Erinnerungen sammeln. »Viel weiß ich nicht mehr«, fing er schließlich an und starrte in die Dunkelheit hinaus. »Es war eine Gemeinde in einem abgelegenen Tal irgendwo in den Bergen. Sie war ziemlich klein, alle kannten einander. Wir lebten so isoliert, dass Verseuchte, Vampire oder andere Dinge aus der Außenwelt uns gar nicht interessierten. Als die Verseuchten dann kamen, war niemand vorbereitet. Niemand außer Jeb.«
Zeke holte tief Luft. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Zu uns kamen sie zuerst«, erzählte er weiter. »Ich weiß noch, wie sie an den Fenstern gekratzt und die Wände eingeschlagen haben, um reinzukommen. Mom und Dad haben mich in einem Schrank versteckt, durch die Tür hindurch habe ich ihre Schreie gehört.« Obwohl er zitterte, blieb seine Stimme ruhig, als wäre das alles einem anderen passiert, als gäbe es keinerlei Verbindung zwischen ihm und dem Jungen aus seiner Geschichte.
»Danach ist alles verschwommen, bis irgendwann der Schrank geöffnet wurde und Jeb vor mir stand. Er nahm mich bei sich auf und wir haben einige Jahre zusammengelebt.«
»Stammt der Rest der Gruppe auch aus diesem Ort?«
»Überwiegend schon.« Er warf mir einen kurzen Blick zu. »Am Anfang waren wir noch mehr, und dann haben wir unterwegs ein paar Leute aufgesammelt, so wie Darren. Aber ja, die meisten von uns kommen aus diesem Ort. Nach dem Angriff der Verseuchten hatten die Leute panische Angst. Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Also fingen sie an, auf Jeb zu hören, baten ihn um Hilfe, flehten ihn um Rat an. Irgendwann wurden wöchentliche Treffen daraus, wir versammelten uns für eine Stunde in der alten Kirche und hörten ihm zu. Jeb wollte nicht wieder als Priester fungieren, das hat er auch allen gesagt. Aber die Leute kamen trotzdem. Und nach einer Weile hatte er irgendwie eine Art … Anhängerschaft.«
»Aber Jeb glaubt doch, Gott habe diese Welt aufgegeben und dass er nicht mehr hier sei.« Verwirrt sah ich Zeke an. »Das ist doch sicher nicht so gut angekommen.«
»Du wärst überrascht.« Zeke zuckte mit den Schultern. »Die Leute suchten verzweifelt nach Führung, und ganz so trostlos, wie du denkst, war die Sache nicht. Jeb glaubt zwar, dass Gott nicht länger über uns wacht, dass wir aber trotzdem gegen das Böse kämpfen müssen, solange wir hier sind. Dass wir nicht zulassen dürfen, dass die Dämonen uns überwältigen. Und dass wir nur so eine Chance auf die Ewigkeit haben, wenn wir irgendwann sterben.«
»Äußerst aufbauend.«
Er
Weitere Kostenlose Bücher