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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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Wand, bis mein Herzschlag langsam ruhiger wurde.
    Hier im Tunnel konnte ich kaum die Hand vor Augen sehen. An diese Dunkelheit würden sich meine Augen nicht gewöhnen, egal wie lange ich wartete. Also wühlte ich in meiner Tasche, bis ich das Feuerzeug gefunden hatte und die winzige Flamme zum Leben erwecken konnte. Sie beleuchtete gerade mal den Boden direkt vor meinen Füßen, aber das war immer noch besser als gar nichts.
    Ich streckte das flackernde Flämmchen so weit vor mir aus wie möglich und trat den Rückweg an.
    Schon seltsam, wie sich in nur wenigen Stunden die eigene Sicht auf die Welt verändern konnte. Die sonst so vertrauten Gänge wirkten jetzt bedrohlich, die Dunkelheit schien plötzlich lebendig zu werden, auf mich einzustürzen und mich ersticken zu wollen. Meine Schritte hallten laut durch die Stille, mehrfach blieb ich stehen und hielt die Luft an, weil ich mir sicher war, neben meinen Atemgeräuschen noch etwas anderes gehört zu haben.
    Immer länger zog sich der Tunnel hin, aber nichts bestätigte meine Angstvorstellungen und sprang mich aus der Dunkelheit an. Ich war schon fast zu Hause, nur noch eine Abzweigung und ein paar Hundert Meter trennten mich von der Leiter, die an die Oberfläche führte, als ich ein feines Platschen hörte.
    Es war nicht laut, und tagsüber, im Licht der vereinzelten Sonnenstrahlen, die durch die Gitter fielen, hätte ich eine Ratte oder etwas in der Art dafür verantwortlich gemacht. Aber in der drückenden Stille und Finsternis gefror mir das Blut in den Adern. Sofort ließ ich die Flamme verlöschen, drückte mich in eine Ecke, hielt den Atem an und lauschte angestrengt. Ich musste nicht lange warten.
    Direkt vor mir glitt der Strahl einer Taschenlampe über den Boden und an den Tunnelwänden brachen sich leise, krächzende Stimmen.
    »… was haben wir denn hier?«, keuchte eine der Stimmen, woraufhin ich mich noch fester gegen die Wand drückte. »Eine Ratte? Ganz schön große Ratte, die da im Dunkeln herumkriecht. Du hast dir die falsche Nacht ausgesucht, um unter der Stadt herumzuschleichen, Freundchen.«
    Mit angehaltenem Atem riskierte ich einen Blick um die Ecke. Vier dünne, abgerissene Männer mit verdreckten Klamotten und ungekämmten Haaren blockierten den Tunnelausgang. Sie hielten sich ziemlich krumm, nach ihren gebeugten Schultern zu urteilen verbrachten sie den Großteil ihrer Zeit in engen, niedrigen Räumen und waren es nicht mehr gewöhnt, aufrecht zu stehen. In den Händen hielten sie rostige, angeschlagene Messer, und sie fixierten mit einem irren Grinsen eine einzelne Gestalt, die mitten im Tunnel stand. In ihren Augen lag ein Unheil verkündender Ausdruck – Vorfreude gepaart mit etwas anderem.
    Ängstlich zog ich mich wieder in meine Nische zurück. Das darf doch nicht wahr sein , dachte ich mir, während ich mich tiefer in den schützenden Schatten zurückzog, möglichst leise, damit sie mich nicht hörten. Heute ist einfach nicht meine Nacht. Erst das Reh, dann die Verseuchten und jetzt gottverdammte Maulwurfsmenschen im Tunnel. Das glaubt mir kein Mensch. Kopfschüttelnd kauerte ich mich zusammen und umklammerte den Messergriff. Jetzt fehlt mir nur noch ein Vampir, um das Ganze abzurunden.
    Die Maulwurfsmenschen kicherten einvernehmlich, dann hörte ich, wie sie sich voranschoben, wohl um den armen Kerl zu umzingeln, der ihnen in die Falle gegangen war. Lauf, du Idiot , flehte ich stumm. Offenbar war er nicht ganz bei Trost, denn ich hörte keine hastig fliehenden Schritte. Weißt du denn nicht, was sie mit dir anstellen werden? Wenn du nicht auf einem Ast über dem Feuer enden willst, solltest du jetzt abhauen.
    »Ich will keinen Ärger«, sagte eine leise Stimme. Sie klang völlig gelassen und vernünftig. Und obwohl ich es nicht wagte, noch einmal um die Ecke zu spähen, und ich den Sprecher deshalb nicht sehen konnte, jagte sie mir kalte Schauer über den Rücken. »Lasst mich vorbei, dann bin ich schon verschwunden. Ihr solltet das besser nicht tun.«
    »Oh«, schnurrte einer der Maulwurfsmenschen, und ich konnte regelrecht vor mir sehen, wie er grinsend auf sein Opfer zuschlich. »Ich denke, wir sollten …«
    Der Satz endete in einem abrupten Gurgeln, gefolgt von einem feuchten Klatschen. Der feine, metallische Geruch von Blut breitete sich aus. Wütendes Gebrüll wurde laut, Kampfgeräusche und Schmerzensschreie, Messer ritzten zischend durchs Fleisch. Ich drückte mich in meine dunkle Ecke und hielt den Atem an, bis der

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