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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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Rutschen … Panisch umklammerte ich den Sims.
    Jackal beugte sich aus dem Fenster, griff nach einem losen Betonbrocken, der fast so groß war wie ein mensch licher Schädel, und wog ihn spielerisch in der Hand. »Wenn dir diese wandelnden Blutbeutel so am Herzen liegen, kannst du ihnen ja Gesellschaft leisten«, sagte er und holte langsam aus. »In der Hölle.«
    In diesem Moment ging ich fest davon aus, dass ich sterben würde. Doch plötzlich warf sich Jebbadiah Crosse mit voller Wucht von hinten auf den Banditenkönig. Brüllend flog Jackal über meinen Kopf hinweg und schlug wild um sich, während der alte Mann sich verbissen an seinen Rücken klammerte. Zusammen verschwanden sie in der Dunkelheit unter mir – der eine schreiend, der andere in grimmigem Schweigen.
    Benommen hing ich an dem Sims, kaum bei Bewusstsein, doch meine Gedanken rasten. Ganz langsam streckte ich die Hand aus, packte den Pfahl und riss ihn mit einem Schrei aus meinem Körper. Er rutschte aus meinen tauben Fingern, fiel schlingernd in die Tiefe und prallte ein paar Mal an der Mauer ab, bevor er irgendwo im schwarzen Wasser versank.
    Mit letzter Kraft zog ich mich hoch und kletterte durch das kaputte Fenster, dann versagten meine Arme endgültig den Dienst. Schlaff ausgestreckt lag ich auf dem Fliesenboden und starrte an die Decke.
    Ich konnte mich nicht bewegen. Schmerz und Hunger kämpften in mir um die Vorherrschaft, gleichzeitig fühlte ich mich vollkommen leer, als hätte mich alle Kraft verlassen. Ich war ausgelaugt, völlig am Ende. Es war nichts mehr übrig, um den Schaden an meinem Körper zu beheben. Ich spürte, wie ich mich langsam auflöste, sehnte mich nach der undurchdringlichen Schwärze der Tiefenstarre, nur weg von diesen Schmerzen.
    Keine Ahnung, wie lange ich dort lag. Tief in meinem Inneren wusste mein Körper, dass ich hier weg musste und einen Unterschlupf brauchte. Die Dämmerung war nicht mehr fern, bald würden die ersten Sonnenstrahlen mir die Haut von den Knochen schälen und mich zu einer lebenden Fackel machen. Ich unternahm einen Versuch, meine Glieder zu aktivieren und wegzukriechen, aber ich war zu müde. Verbissen kämpfte ich darum, wach zu bleiben, mich zu bewegen, mich gegen die Dunkelheit zu stemmen, die sich in mir breitmachen wollte, aber die Sonne rückte unaufhaltsam näher. Meine Zeit schien endgültig abgelaufen zu sein.
    Erschöpft sank ich zurück auf die Fliesen. Das war’s dann also. Es gab keinen Ausweg mehr. In weniger als einer Stunde würde es dämmern, und ich lag hier mitten auf dem Präsentierteller, vollkommen hilflos. Irgendwie passend, dass ich diese Welt für immer verlassen würde, indem ich verbrannte.
    »Allison.«
    Wie aus dem Nichts durchdrang die Stimme die Schatten in meinem Geist. Ich horchte auf, konnte es aber nicht glauben. Träumte ich? Oder war ich bereits tot? Dann kniete plötzlich jemand neben mir und zog mich sanft auf seinen Schoß. Instinktiv wollte ich mich losreißen, wollte kämpfen, aber mein Körper gehorchte mir einfach nicht mehr, also gab ich jeden Widerstand auf.
    »Oh Gott«, hauchte die Stimme gequält. Sie war so vertraut. Dann strich etwas über das riesige Loch in meiner Körpermitte. »Allison, kannst du mich hören? Wach auf! Komm schon, wir müssen hier weg.«
    Zeke? , dachte ich benommen. Nein, das konnte nicht sein. Zeke war fort, ich hatte ihm selbst befohlen, mit den anderen die Stadt zu verlassen. Er sollte längst weit weg sein. Aber es war seine Stimme, die mich drängte, aufzustehen oder zumindest die Augen aufzuschlagen. Wie gerne hätte ich das getan, aber die Tiefenstarre lockte mich, hielt mich in ihrem Bann, und seine Stimme wurde immer schwächer. Ich konnte nicht antworten. Er zog mich fester in seine Arme, ich hörte ein schmerzerfülltes Zischen und plötzlich lag der Duft von heißem Blut in der Luft.
    »Bitte mach, dass es funktioniert«, flüsterte er und drückte etwas gegen meinen Mund.
    Eine warme Flüssigkeit benetzte meine Lippen. Instinktiv biss ich zu und hörte über mir jemanden keuchen. Ich registrierte es kaum, und es kümmerte mich auch nicht. Das hier war Leben, und verzweifelt griff ich danach, spürte die Stärke, die in meinen Körper zurückkehrte und die Trägheit vertrieb. Brüllend erwachte der Hunger in mir, als wäre ihm bewusst, wie nah der Tod gewesen war, und sofort biss ich noch fester zu und trieb meine Reißzähne immer tiefer hinein. Ein unterdrückter Schrei ertönte, dann spannten sich die

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