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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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Gelenk auf. Obwohl ich kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren, sah ich, wie er seinen verletzten Arm auf meinen Mund drückte. Dickflüssiges, heißes Blut lief auf meine Zunge. Ich musste würgen und wollte mich losreißen, doch die Hand an meinen Lippen war so unverrückbar wie eine Wand.
    »Trink«, befahl eine leise, strenge Stimme, und ich gehorchte, fragte mich aber gleichzeitig, ob mir nicht sofort alles wieder hochkommen würde. Aber das war nicht der Fall. Ich spürte, wie das Blut durch meine Kehle floss und brennend heiß bis in den Magen lief. Der Arm rührte sich nicht, sodass immer mehr warme Flüssigkeit in meinen Mund tropfte. Erst nachdem ich drei oder vier Mal geschluckt hatte, wurde das Handgelenk weggezogen und der Vampir legte mich auf den Boden zurück. Hart und kalt drückte der Asphalt gegen meinen Rücken.
    »Ich weiß nicht, ob ich dich rechtzeitig gefunden habe«, murmelte er nachdenklich. »Wir werden abwarten müssen, was aus dir wird. Und wozu du wirst.«
    »Was … passiert jetzt?« Mein Bewusstsein war fast zu schwach, um diese Frage zu formulieren. Schläfrig blickte ich zu ihm hoch, während der Schmerz sich zu einem leisen Pochen reduzierte, das gar nicht mehr zu mir gehörte. Am Rande meines Gesichtsfelds flackerte Schwärze, fast wie ein Schwarm wilder Ameisen.
    »Jetzt, Menschlein«, erklärte der Vampir und legte mir eine Hand auf die Stirn, »jetzt wirst du sterben. Und wir werden uns hoffentlich auf der anderen Seite wiedersehen.«
    Dann fielen mir die Augen zu und die Dunkelheit verschlang mich. Ich lag im sanften Regen in den kalten Armen eines namenlosen Vampirs und schied aus der Welt der Lebenden.

ZWEITER TEIL – Vampir

5
    Bruchstückhaft suchten mich Albträume heim, während ich in der Dunkelheit trieb.
    Lucas und Rat, fortgezerrt von gierigen, bleichen Händen.
    Das tote Reh, das sich aus dem Gras erhebt und mich anstarrt, während aus seinem aufgerissenen Leib heraus die Rippen im Mondlicht glänzen.
    Eine wilde Hetzjagd zwischen Autowracks, Tausende von bleichen Kreaturen, die mich verfolgen und mir kreischend und fauchend im Nacken sitzen.
    Offene Konservendosen, gefüllt mit dunkelroter Flüssigkeit, die ich wild in mich hineinschütte …
    Schreiend fuhr ich hoch und schlug blind um mich. Als ich die Augen öffnete, blendete mich grelles Licht und ich wich zischend zurück. Seltsame Geräusche drangen auf mich ein, einerseits vertraut, andererseits um ein Hundertfaches verstärkt. Ich konnte die knisternden Schritte einer Kakerlake hören, die an der Wand entlanglief, ein kleines Rinnsal rauschte wie ein ganzer Wasserfall. Die Luft auf meiner Haut war feucht und kühl, aber irgendwie seltsam – ja, ich spürte die Kälte, aber gleichzeitig auch wieder nicht.
    Mein Körper fühlte sich steif und wächsern an, wie ein nasser Sack hing ich da. Als ich vorsichtig den Kopf drehte, schossen brennende Schmerzen durch meine Adern, die mir fast den Atem raubten. Schreiend krümmte ich mich, als die Qualen sich auf meinen gesamten Körper ausbreiteten, wie Feuer liefen sie über meine Haut. Mein Mund tat weh, der Oberkiefer schien angeschwollen, als würde etwas Scharfes gegen mein Zahnfleisch drücken, das einen Weg nach draußen suchte.
    Verschiedene Emotionen flackerten in meinem Kopf auf wie die Bruchstücke eines fremden Lebens: Bedauern, Mitgefühl, Schuld. Eine Sekunde lang sah ich, wie mein Körper sich auf dem Beton wand und ich mich an Boden und Wänden festkrallte. Doch dann wurde der Schmerz so stark, dass sich mir der Magen umdrehte, und während ich mich zusammenkrümmte, verschwand das Bild.
    Der Druck in meinem Kiefer war unerträglich, und wieder schrie ich auf, doch es klang mehr wie ein knurrendes Tier. Plötzlich schob sich etwas durch mein Zahnfleisch und der bohrende Schmerz verging. Die Hitze in meinen Venen loderte noch einmal auf und erstarb, zitternd vor Erleichterung sank ich in mich zusammen. Doch in meinem Inneren bildete sich schon ein neuer Schmerz, ein nagendes, pulsierendes Gefühl in der Körpermitte. Zitternd erhob ich mich auf Hände und Knie und stieß ein tiefes Knurren aus. Hunger. Ich hatte Hunger! Ich brauchte Nahrung!
    Etwas Kaltes, Nasses drückte gegen mein Gesicht. Plastik? Fauchend wich ich zurück. Moment, der Beutel roch nach Nahrung, das war Nahrung! Ich stürmte vor, versenkte meine Zähne in dem Beutel und riss ihn an mich. Etwas Kaltes floss in meinen Mund, dickflüssig und klebrig. Nicht warm, wie es sein

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