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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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ob du wirklich Menschen jagen musst oder ob du auch überleben kannst, wenn du das Blut von Tieren oder anderen Lebewesen trinkst. Dich treibt die Hoffnung um, dass du keine Menschen töten musst, um zu leben. Liege ich damit richtig?«
    Ich nickte, was Kanin mit einem bitteren Lächeln quittierte.
    »Das kannst du nicht«, erklärte er trocken, und mir rutschte das Herz in die Hose. »Dies ist deine erste und wichtigste Lektion, Allison Sekemoto: Du bist ein Monster. Ein Dämon, der sich von Menschen nährt, um zu überleben. Die Vampire in der Inneren Stadt mögen in ihrem Aussehen und ihren Taten vorgeben, zivilisiert zu sein, aber lass dich davon nicht täuschen. Wir sind Monster, und daran wird sich auch nichts ändern. Bilde dir nicht ein, du könntest dich an deine Menschlichkeit klammern, indem du das Blut von Hunden, Ratten oder Schafen trinkst. Das ist wie Junkfood, wie Abfall. Zwar wird es für einige Zeit deinen Magen füllen, aber es wird niemals den Hunger bezähmen können. Über kurz oder lang wirst du so sehr nach Menschenblut gieren, dass es dich bereits halb um den Verstand bringt, wenn du nur einen von ihnen siehst. Und dieser Mensch wird dann sterben, weil du die Kontrolle verlieren und ihn völlig aussaugen wirst. Das ist das Allerwichtigste, was du begreifen musst, bevor wir weitermachen. Du bist nicht länger ein Mensch. Du bist jetzt ein Raubtier, und je eher du das akzeptierst, desto leichter wird dieses Leben oder dieses Dasein für dich werden.«
    Ich fühlte mich elend. Anscheinend entsprach alles, was ich bisher über Vampire gedacht hatte, den Tatsachen. Trotzdem sagte ich: »Ich werde bestimmt keine Menschen töten und mich von ihnen nähren, so viel ist sicher.«
    »So ist es zu Beginn immer«, erwiderte Kanin mit leiser Stimme, als hinge er seinen Erinnerungen nach. »Hehre Absichten und das Ehrgefühl neuer Vampire. Große Schwüre, den Menschen nie etwas anzutun, sich nie mehr zu nehmen als notwendig, sie nicht wie Schafe durch die Nacht zu treiben.« Er lächelte milde. »Aber es wird immer schwerer und schwerer, sich auf ihrem Niveau zu bewegen und an der eigenen Menschlichkeit festzuhalten, wenn man in ihnen doch nichts anderes sieht als Nahrung.«
    »Das ist mir egal.« Ich musste an Stick, Lucas und sogar an Rat denken. Sie waren meine Freunde gewesen. Persönlichkeiten, keine wandelnden Blutbeutel. »Ich werde anders sein. Verdammt noch mal, ich werde es versuchen!«
    Kanin widersprach mir nicht. Stattdessen erhob er sich, kam hinter dem Schreibtisch hervor und winkte auffordernd mit seiner großen, blassen Hand. »Komm her.«
    Misstrauisch stand ich auf und schob mich näher an ihn heran. »Warum? Was hast du vor?«
    »Ich sagte, ich würde dir beibringen, wie man als Vampir überlebt.« Er trat einen Schritt vor, sodass uns weniger als ein halber Meter trennte und ich nach oben in Richtung seines Kinns sehen konnte. Meine Güte, war der groß. Seine Präsenz war überwältigend. »Dazu musst du den Körper eines Vampirs kennen, musst wissen, wie er funktioniert und was er aushalten kann. Zieh den Mantel aus.«
    Ich gehorchte und ließ ihn hinter mir auf den Stuhl fallen. Was hatte er vor? Mit einer unfassbar schnellen Bewegung packte der Vampir mein Handgelenk, riss meinen Arm hoch und verpasste mir mit seinem langen, glänzenden Dolch einen Schnitt. Blut quoll aus der Wunde, dann setzte beißender Schmerz ein.
    » Au! Was zum Teufel soll das?« Ich wollte mich losreißen, aber genauso gut hätte ich an einem Baum zerren können. Kanin rührte sich nicht. »Lass mich los, du Psycho! Was für ein krankes Spiel wird das?«
    »Warte«, befahl Kanin und drehte meinen Arm leicht hin und her. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ ich zu, dass der Vampir mein Handgelenk anhob. »Sieh hin.«
    Mein Arm war total mit Blut verschmiert, das inzwischen schon bis zum Ellbogen lief. Die Wunde war gut zu sehen, ein gerader, tiefer Schnitt, der wahrscheinlich bis auf den Knochen ging. Psycho-Vampir. Doch noch während ich keuchend darauf starrte, begann die Verletzung zu heilen. Das offene Fleisch zog sich zusammen, verfärbte sich von Rot zu Rosa und dann zu Weiß, bis nur noch eine schmale, blasse Narbe zu sehen war. Und dann gar nichts mehr.
    Als Kanin schließlich meinen Arm losließ, war ich völlig fassungslos. »Es ist äußerst schwierig, uns zu töten«, erklärte er, während ich noch immer schockstarr dastand. »Wir sind stärker als Menschen, schneller als Menschen und wir

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