Tor der Daemmerung
Allison …« Überraschenderweise wandte er sich direkt an mich. »Hast du irgendwelche Verseuchten gesehen, als du in die Stadt gekommen bist?«
»Nein«, versicherte ich brav. Das war sehr geschickt, mich so einzubinden und sofort zum Teil der Gemeinschaft zu machen. »Mir ist nichts aufgefallen.«
»Gut.« Zeke drehte sich wieder zu der Gruppe um. »Die meisten der Wohnungen hier sind einigermaßen in Ordnung und haben Zementboden, wir werden dort also sicher sein. Ruht euch aus, so lange es geht. Jeb will morgen Abend früh aufbrechen.«
Die Versammlung löste sich in ein organisiertes Chaos auf und die Leute verteilten sich auf die einzelnen Räume. Ich blieb neben Zeke stehen und sah zu, wobei ich von Einigen neugierig gemustert wurde, vor allem von Kindern und Jugendlichen. Ruths Blick war natürlich auch diesmal mörderisch, als sie Caleb in eine der Ruinen führte. Ich antwortete mit einem fiesen Grinsen.
»Ezekiel.« Plötzlich war Jeb wieder da, wie aus dem Nichts baute er sich vor uns auf.
»Sir.«
Jeb legte Zeke eine Hand auf die Schulter. »Ich möchte, dass du zusammen mit den anderen die erste Wache übernimmst, zumindest bis Sonnenaufgang. Natürlich vertraue ich Jake und Darren, aber in einer solchen Stadt brauche ich jemanden mit mehr Erfahrung. Sorge dafür, dass die Dämonen uns nicht im Schlaf überraschen können.«
»Jawohl, Sir.«
Kurz wanderte Jebs Blick zu mir. »Nimm Allison mit und erkläre ihr, wie wir die Dinge hier angehen. Sie kann heute schon anfangen, ihren Beitrag zum Allgemeinwohl zu leisten.«
Na großartig. Hoffentlich erwarten die nicht, dass ich tagsüber Wache schiebe. Wie komme ich aus dieser Sache bloß wieder raus?
Plötzlich durchbohrte mich Jeb förmlich mit seinem Blick, und irgendetwas in diesen grauen Augen sorgte dafür, dass ich am liebsten fauchend vor ihm zurückgewichen wäre. »Das macht dir doch nichts aus, oder, Mädchen?«
»Ganz und gar nicht«, versicherte ich, ohne seinem Blick auszuweichen. »Solange man mich nett bittet.«
Jebs Augenbraue zuckte. »Würdest du uns für einen Moment entschuldigen, Ezekiel?« Sein Tonfall machte klar, dass es eine rein rhetorische Frage war. Zeke sah mich hilflos an, nickte aber brav und ging zurück Richtung Tor.
Ich reckte das Kinn und stellte mich Jebbadiah Crosse mit einem trotzigen Grinsen. Wenn dieser verrückte Alte mir einen Vortrag halten wollte, durfte er sich auf eine Überraschung gefasst machen. Ich hatte keine Angst vor ihm, ich gehörte nicht zu seinen Schäfchen, und ich würde ihm nur zu gern sagen, wo er sich seine Lektionen hinschieben konnte.
Jeb musterte mich ausdruckslos. »Glaubst du an Gott, Allison?«
»Nein«, antwortete ich prompt. »Ist das jetzt die Stelle, wo Sie mir erzählen, dass ich in die Hölle kommen werde?«
»Das hier ist die Hölle«, erwiderte Jeb und schloss mit einer knappen Geste die gesamte Stadt mit ein. »Dies ist unsere Strafe, unsere große Trübsal. Gott hat diese Welt verlassen. Die fest im Glauben waren, haben ihre Belohnung bereits erhalten, und den Rest von uns ließ er hier zurück, lieferte uns den Dämonen und Teufeln aus. Die Sünden der Väter sind auf ihre Kinder übergegangen, und auf ihre Kindeskinder, und so wird es sich fortsetzen, bis diese Welt vollständig vernichtet ist. Es spielt also keine Rolle, ob du an Gott glaubst oder nicht, denn er ist nicht hier.«
Sprachlos starrte ich ihn an. »Das ist …«
»Nicht das, was du erwartet hast?« Jeb lächelte freudlos. »Es ist sinnlos, Worte der Hoffnung zu spenden, wenn man selbst keine mehr hegt. Und ich habe auf dieser Welt Dinge gesehen, die keinen Zweifel daran lassen, dass Gott nicht länger über uns wacht. Ich bin nicht hier, um seine Botschaft zu verkünden oder die gesamte Welt zu bekehren – dafür ist es längst zu spät.«
Nach einer kurzen Pause fuhr er mit harter Stimme fort: »Doch diese Menschen erwarten von mir, dass ich sie an unser Ziel führe. Ezekiel hat dir vermutlich schon von Eden berichtet. Und du solltest wissen, dass ich niemals – unter gar keinen Umständen – zulassen werde, dass uns etwas von diesem Ziel abbringt. Ich werde alles nur Erdenkliche tun, damit wir es erreichen, auch wenn das bedeutet, dass Einzelne zurückgelassen werden müssen. Wer seinen Beitrag nicht leisten kann oder Probleme verursacht, wird verstoßen. Sieh das als einmalige Warnung. Du kannst daraus machen, was du willst.«
»Sie hoffen immer noch, das Gelobte Land zu erreichen, obwohl
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