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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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existiert.«
    »Eine magische Insel, frei von Verseuchten und Vampiren.« Abschätzig verzog ich die Lippen. »Klingt für mich nach einem Märchen.«
    Selbst ich hörte die Verbitterung in meiner Stimme, war mir aber nicht sicher, wo sie eigentlich herkam. Vielleicht lag es daran, dass die Nachricht von einer Stadt nur für Menschen ohne vampirische Herrschaft und die Bedrohung durch die Verseuchten für mich ein bisschen zu spät kam. Hätte ich diese Gerüchte früher gehört, als ich noch lebte, hätte ich mich eventuell auch auf die Suche gemacht. Obwohl … vielleicht auch nicht. Vielleicht hätte ich es als wildes Hirngespinst abgetan und mein vertrautes Leben fortgeführt. Aber zumindest hätte ich mal davon gehört. Wie gerne hätte ich die Chance gehabt, frei zu entscheiden. Jetzt nützte mir Eden nichts mehr.
    Ruth schnaubte abfällig. »Wenn du ihm nicht glaubst, kannst du ja gehen«, meckerte sie und schloss zu Zeke auf, um mich wütend anzustarren. »Es wird dich niemand daran hindern.«
    Ich unterdrückte den Impuls, auf die Zickerei einzugehen, und konzentrierte mich stattdessen auf Zeke. »Existiert es denn wirklich?«, hakte ich nach und versuchte zumindest, die Vorstellung eines vampirfreien Utopia als vage Möglichkeit in Betracht zu ziehen. »Glaubst du tatsächlich, ihr könntet es finden?«
    Zeke zuckte gelassen mit den Schultern, offenbar hatte er das alles schon öfter durchgekaut. »Wer weiß? Vielleicht existiert es ja wirklich nicht. Oder es ist irgendwo da draußen und wir werden es nicht finden. Aber wenigstens suchen wir danach.«
    »Wir werden es finden«, prophezeite Caleb mit einem ernsten Nicken. »Ganz bald werden wir es finden, hat Jeb gesagt.«
    Ich wollte ihm keinesfalls die Hoffnung nehmen und blieb stumm. Wenige Minuten später durchquerten wir ein verrostetes schmiedeeisernes Tor und betraten den Innenhof einer kleinen Wohnanlage. Am Eingang stand eine Wache, ein schwarzhaariger Mensch, vielleicht ein paar Jahre älter als ich und so mager wie ein Wolf. Lächelnd nickte er Zeke zu, riss aber erstaunt die Augen auf, als er mich bemerkte.
    »Zeke! Ihr habt ihn also gefunden. Aber … wer ist das?«
    »Noch eine Streunerin auf dem Weg durch die Wildnis«, erwiderte Zeke mit einem trockenen Grinsen. »Allison, das ist Darren, unser anderer Streuner. Ihr zwei findet bestimmt schnell ein Gesprächsthema.«
    »Ezekiel!«
    Automatisch nahmen alle Haltung an. Synchron drehten wir uns zu dem Mann um, der mit großen Schritten auf uns zukam. Er war ganz in Schwarz gekleidet, und seine gesamte Körperhaltung strahlte unerbittliche Entschlossenheit aus. Alles an ihm wirkte hart und kantig, von dem verkniffenen, schmalen Gesicht über die knochigen Schultern bis hin zu der auffälligen weißen Narbe, die sich von seiner Schläfe bis zum Kinn hinunterzog. Seine langen Haare waren früher wahrscheinlich rabenschwarz gewesen, aber jetzt schimmerte der akkurate Pferdeschwanz in seinem Nacken stahlgrau. Dieselbe Farbe hatten auch seine Augen, die uns mit einem abschätzenden Blick streiften, bevor sie sich auf Zeke richteten.
    »Ihr habt ihn also gefunden.« Eine Feststellung, keine Frage. Die knappe Ausdrucksweise passte zu diesem Mann.
    »Ja, Sir. Genauer gesagt hat sie ihn gefunden.« Zeke deutete mit dem Kinn auf mich. »Ich hatte gehofft, wir könnten sie … für eine Weile bei uns aufnehmen.«
    Die stechenden grauen Augen musterten mich durchdringend, und ihnen entging so gut wie nichts. »Noch eine Streunerin?«, hakte er nach. »Hast du mit ihr gesprochen, Ezekiel?«
    »Ja, Sir.«
    »Und ist ihr unsere Situation bekannt? Weiß sie, wonach wir suchen?«
    »Ich habe es ihr erzählt, ja.«
    An dieser Stelle hätte ich damit gerechnet, dass Ruth sich zu Wort meldete und ihrem offensichtlichen Anführer gegenüber ihre Bedenken äußerte. Doch Ruth stand still und stumm neben Darren und starrte zu Boden. Caleb klammerte sich an ihre Hand und brachte ebenfalls keinen Ton heraus. Nur Zeke wirkte entspannt, obwohl er hoch aufgerichtet dastand und die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte, wie ein Soldat, der auf seine Befehle wartet.
    Wo bist du da nur reingeraten, Allison?
    Der Mensch starrte mich noch immer mit unergründlicher Miene an. »Dein Name?«, fragte er schließlich. Er klang wie ein Lakai, der seinen Untergebenen Anweisungen aufdrückt. Ich unterdrückte ein Knurren und erwiderte ungerührt seinen bohrenden Blick.
    »Allison«, antwortete ich mit einem frechen Grinsen.

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