Tor der Daemmerung
ausgeräumt war, deshalb meint Darren, dass hier in der Nähe noch mehr zu finden sein könnte.« Mit einem tiefen Seufzer schüttelte er den Kopf. »Und er hat nicht unrecht. Aber unglücklicherweise hat Jeb gesagt, dass wir gehen, also gehen wir.«
»Das ist doch irre. Hier.« Ich reichte ihm die Schale. Er schien überrascht, nahm sie aber dankend an. »Er legt nicht mal für die Essenssuche eine Pause ein? Wozu die Eile?«
»So war er schon immer«, erklärte Zeke gelassen, nahm sich ein weißes Stück Obst und verschlang es. »Hey, sieh mich nicht so an. Ich mache die Regeln nicht, ich setze sie nur um. Aber Jeb hat immer nur das Beste für uns im Sinn, also mach dir mal keine Sorgen. Apropos, hast du etwas zu essen bekommen? Wir werden in den nächsten Stunden keine Rast machen, da solltest du etwas für unterwegs haben.«
»Ich bin versorgt«, versicherte ich ihm, wich aber seinem Blick aus. »Ich habe schon gegessen.«
»Ezekiel!«, ertönte die vertraute Stimme. Jeb kam aus einer der Wohnungen und winkte ihm zu. »Sind wir dann so weit?«
»Ja, Sir!« Er erhob sich und ging zu ihm hinüber. Unterwegs blieb er kurz stehen und gab seine Schale einem alten Mann, der auf den Überresten eines Brunnens hockte. »Alle packen ihre Sachen. Sobald jeder gegessen hat, können wir gehen.«
Ins Gespräch vertieft gingen sie davon. Als ich mich abwandte, stand plötzlich Ruth vor mir.
Unbeweglich starrte das Mädchen mich an. Da wir ungefähr gleich groß waren, blickte ich direkt in ihre dunkelbraunen Augen. Oh Mann, die hatte nicht nur etwas gegen mich, sie hasste mich aus tiefstem Herzen. Was ich doch ziemlich undankbar fand – immerhin hatte ich ihren geliebten kleinen Bruder gerettet. Außerdem hatte ich keine Ahnung, warum sie mich so ablehnte.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, erkundigte ich mich und zog fragend eine Braue hoch.
Sie wurde rot. »Ich kenne Typen wie dich«, blaffte sie. Schlagartig verkrampfte ich mich. »Ich weiß, warum du hier bist und warum du bei uns bleibst.«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich sie. War ihr eigentlich klar, in was für eine gefährliche Lage sie sich gerade brachte? »Ach, wirklich?«
»Ja. Aber das kannst du vergessen. Zeke hat kein Interesse an dir.«
Aaah, so lagen die Dinge. Fast hätte ich laut losgelacht. »Hör mal, da musst du dir keine Sorgen machen«, versicherte ich ihr möglichst vernünftig. »Diese Art von Interesse habe ich genauso wenig.«
»Gut«, erwiderte sie mit bohrendem Blick. »Denn irgendetwas an dir ist … merkwürdig.«
Sofort schwand meine Belustigung. In meinem Inneren gingen die Alarmglocken los und meine vampirische Seite drängte mich zum Angriff, dazu, sie jetzt zum Schweigen zu bringen, bevor sie zum Problem wurde. Mühsam unterdrückte ich den Impuls. »Übertreibst du es nicht etwas mit deiner Vorsicht gegenüber Fremden?«, fragte ich spöttisch.
Ruth presste die Lippen aufeinander. »Du verbirgst etwas vor uns«, erklärte sie entschieden und wich einen Schritt zurück. »Ich weiß nicht, was es ist, und das ist mir auch egal, aber Zeke ist viel zu gut für eine wie dich. Unglücklicherweise hat er die Angewohnheit, immer nur das Beste in allen zu sehen, und er ist viel zu nett, um zu bemerken, wann er ausgenutzt wird. Ich warne dich: Lass bloß deine dreckigen Griffel von ihm! Sonst werde ich dafür sorgen, dass du es bereust, jemals hierhergekommen zu sein.« Bevor ich etwas erwidern konnte, stapfte sie mit wehenden Locken davon. »Und halte dich auch von Caleb fern«, rief sie über die Schulter.
»Sehr reizend«, murmelte ich und spürte, wie sich meine Fangzähne meldeten. »Tja, jetzt wissen wir wenigstens, wer hier als Erste gebissen wird.«
Wenig später versammelte sich die elfköpfige Gruppe am Brunnen, alle satt, gerüstet und abmarschbereit. Die meisten unterhielten sich leise und warfen hin und wieder neugierige Blicke in meine Richtung, während ich mich eher in den Schatten hielt. Dann schien von irgendwoher ein unsichtbares Signal zu kommen, denn plötzlich marschierten alle los: Drei Teenager, fünf Erwachsene, drei Kinder und ein Vampir wanderten schweigend durch die Stadt und auf die Landstraße hinaus. Alle legten ein ordentliches Tempo vor – sogar die Kinder und die beiden älteren Herrschaften –, und schon bald waren die letzten Gebäude in der Dunkelheit verschwunden.
»Allison, nicht wahr? Du kommst also aus einer Vampirstadt. Hast du dort viele von diesen seelenlosen Dämonen
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