Torchwood 1: Ein anderes Leben (German Edition)

zum Umfallen oder zum Weinen oder einfach nur zum Rausrennen zu bewegen. Gwen hatte sich ganz fest vorgenommen, ihm diese Genugtuung nicht zu geben. Sie war der Sache mit der Distanz begegnet, die sie auch an Tatorten an den Tag legte. Die Hängewaage mit den entfernten Organen zu betrachten, mit ihrer uhrenartigen, runden Anzeige und der Waagschale aus rostfreiem Stahl – das war nichts anderes, als Obst bei Tesco abzuwiegen. Der Bunsenbrenner auf dem Tisch war der gleiche, den sie bereits in der Schule benutzt hatte. Die herausgetrennten, grauen Überreste von Gehirn, Herz und Gedärmen, die in Gläsern in den Regalen des Raums aufbewahrt wurden, waren dagegen schwieriger zu ignorieren. Okay, sie waren wie die Proben aus dem Biologieunterricht. Sie hatte die Feuerprobe bestanden und war sehr zufrieden mit ihrer Gelassenheit und Owens offensichtlicher Enttäuschung.
    An jenem Abend, zu Hause, als die Normalität von Hühnchen Chow Mein und EastEnders im Fernsehen sie beruhigte, musste sie plötzlich an die blassen grauen Augen der Frau denken. Sie hatte sie gesehen, als Owen beiläufig ihre Augenlider zurückzog. Und zu Rhys’ Überraschung war Gwen ins Bad gelaufen und übergab sich so lange und so heftig, dass sie am Ende nur noch trocken würgte. Es war nichts mehr übrig gewesen, um es in die Toilettenschüssel zu spucken.
    Das war damals. Jetzt war sie abgehärtet. Oder war sie einfach härter geworden?
    „Ich habe hierfür den bekaranischen Tiefengewebescanner benutzt“, erklärte Owen. „Damit wollte ich einige erste Schnappschüsse ohne invasive Verfahren bekommen.“ Die Bilder wurden an dem Wandbildschirm angezeigt. Leuchtend rote und cremefarbene Bilder von Fleisch, Blut und Knochen. „Erstaunlich, nicht? Es ist so, als würde das Gerät die äußeren Schichten abziehen, sie unsichtbar machen, oder so.“
    Toshiko sah träge von ihrem Laptopbildschirm auf. „Warum soll man sich dann noch mit einer Autopsie abplagen? Selbst ohne den Tiefengewebescan bleiben einem immer noch MRI-Scans, Ultraschall, Nuklearmedizin, molekulare Tests … Es ist ja nicht schwer herauszufinden, woran er gestorben ist, oder? Sein Kopf ist mit fünfzig Kilometer die Stunde auf dem Pflaster aufgeschlagen. Fall abgeschlossen.“
    „Warte erst mal ab“, ermahnte sie Owen.
    Er ließ die Bilder über den Schirm laufen. Viele davon zeigten Wildmans Leiche mit ausgebreiteten Armen, zurückgeklappter Haut, freigelegter Brust und offenem Abdomen. Der traditionelle Y-Schnitt reichte von den Schultern zur Mitte bis nach unten zur Schamregion. Wildmans Kopf war auf dem Bus aufgeschlagen, dann war er davor gelandet. Sein Gesicht war zu einem unkenntlichen Brei zerquetscht worden, selbst nachdem es gesäubert worden war. Owen erklärte, dass er überlegte, das Gehirn durch das große Loch an der Vorderseite zu entnehmen, statt den üblichen Schnitt am Hinterkopf und direkt hinter den Ohren zu setzen. „Den kann man nicht im offenen Sarg zeigen, so viel ist verdammt sicher“, stimmte Jack zu.
    Es gab noch mehr Bilder. Owen hatte das Knorpelgewebe durchgeschnitten, um die Rippen vom Brustbein zu trennen. „Die wurden bei der Landung zerschmettert“, erklärte er. „Und als ich in die Bauchhöhle geschaut habe, konnte ich sehen, dass der Dickdarm durch eine durchdringende Verletzung aufgerissen worden war. Es dauerte also etwas, den Darm freizulegen. Nichts von großem Interesse bei den Organen. Keine Bakterien im Blut. Keine interessanten Ergebnisse aus der Gallen- oder Urinflüssigkeit. Nichtraucher, die leicht erweiterte Leber lässt darauf schließen, dass er gerne mal einen getrunken hat. Kein Hinweis auf Drogenmissbrauch, verschreibungspflichtige Medikamente oder Gifte.“
    Jack trommelte auf dem Tisch herum. „Du hebst dir das Beste bis zum Schluss auf, nicht wahr?“
    „Ja“, sagte Owen genüsslich. Er zeigte eine Reihe neuer Bilder. „Untersuchung von Speiseröhre, Magen, Bauchspeicheldrüse, Zwölffingerdarm und Milz. Hier gibt es nichtmenschliche Elemente ...“
    „Diese Kreatur, die er vor Jack ausgewürgt hat“, unterbrach Gwen.
    „Du Genie“, sagte Owen lakonisch und fuhr fort, als ob niemand etwas gesagt hätte. „Es ist außerdem ein außerirdisches Gerät in sein Rückgrat integriert worden. Es wurde sehr weit oben an der Wirbelsäule befestigt. Und hier ist es.“
    Er holte das Ding mit einer weit ausladenden Geste hervor. Es war kugelförmig und hatte in etwa die Größe einer großen Murmel, allerdings