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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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liegt es auf einem Gipfel namens Montmago. An dieser Stelle trifft der magische Strom auf die Erde, verzweigt sich und fließt durch bestimmte Plätze: Lourdes, Santiago de Compostela – du weißt schon: durch all die Orte, an denen auch gewöhnliche Schattenseelen den Strom spüren.«
    Ravenna sog den Atem ein. »Ich verstehe. Beliar hat also die Nebentore vernichtet, um das Haupttor für sich zu beanspruchen.«
    Norani nickte. »So ist es. Ich nehme an, in deiner Welt hat er etwas Ähnliches gemacht. Deswegen konnte er eine so starke Verbindung erschaffen.«
    »Einen quer verlaufenden Zeitsprung«, murmelte Ravenna. »Von Paris bis Carcassonne.«
    Die Sieben wechselten einen Blick.
    »Was ist Paris?«, fragte Ellis schüchtern. Norani erwiderte: »Lutetia. So heißt die Stadt jetzt. In Ravennas Zeit trägt sie offenbar einen anderen Namen.«
    »Ah«, meinte Ellis.
    »Ganz recht«, warf die Jägerin Josce ein. »Dieses Rennen führt zum Tor auf dem Montmago. Deshalb möchte der König, dass du an diesem Wettkampf teilnimmst.«
    Ravenna schnappte hörbar nach Luft. »Ich soll … ihr wollt, dass Lucian und ich weiter an diesem Duell teilnehmen? An der Teufelswette? Wisst ihr denn nicht, worauf wir uns da einlassen?«
    Es wurde still auf dem Hohlweg. So still, dass man fast den Frühling hörte, der in dem geschützten Bergwald bereits anbrach. Vogelgezwitscher und das Summen der ersten Bienen erfüllten die Luft. Blumen setzten Farbakzente auf dem Hang. Das Laub vom Vorjahr dämpfte den Hufschlag der Pferde.
    »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe«, gestand Ravenna, als die Sieben schwiegen. »Ich weiß es wirklich nicht. Beliar ist … er hat … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Er ist gewachsen, seit wir das letzte Mal gegen ihn gekämpft haben. Er ist stärker geworden. Mächtiger.«
    »Er hat deine Schwester an seiner Seite«, sagte Esmee mit sanfter Stimme. »Yvonne ist eine sehr begabte Zauberin. Leider haben wir nicht erkannt, wie gefährlich sie ist, als sie bei uns auf dem Hexenberg war. Sonst hätten wir verhindern können, dass das passiert.«
    Norani musterte sie aus ihren seltsamen, schrägen Augen. »Lucian versichert, dass du gewinnen kannst. Dein Ritter schwört, dass du nicht versagen wirst. Deshalb fordert dich der König auf, weiter an diesem Wettkampf teilzunehmen. Verstehst du, Ravenna? Es ist keine Bitte, sondern ein Befehl. Du bist die Hüterin des Sommersiegels. Du gehörst zu unserer Runde. Es ist deine Pflicht zu tun, was Constantin verlangt.«
    Ravenna blickte zur Spitze des Zuges, wo der König zwischen seinen Rittern trabte. Constantin war kleiner als die meisten seiner Krieger – ein kleiner Mann mit großer Macht. Deshalb bevorzugte er den langbeinigen Apfelschimmel namens Merlin. Der kleine König, so nannten ihn die Mitglieder des Ordens liebevoll, wenn er außer Hörweite war. Sein helles Haar war zerzaust und die Kleider immer irgendwie in einem Zustand, als habe er in diesem Aufzug geschlafen. Die Anstrengung der letzten Wochen hatte zusätzliche Furchen in sein Gesicht gegraben. Der König war in einem Alter, in dem man halsbrecherische Ritte auf Saumpfaden und monatelange Fluchten eigentlich vermied.
    »Reite das Rennen und schließe das Tor!«, raunte Norani Ravenna ins Ohr. »Du musst die Verbindung zwischen den Portalen kappen und dafür sorgen, dass Beliar die Tore nicht aneinanderkoppeln kann. Oder wir sterben. Ich bin sicher, dass wir sterben, sobald Beliar den Strom lenken kann.«
    Ravennas Hände bewegten sich mechanisch an den Zügeln. Das also war in der Zwischenzeit geschehen, während sie und Lucian nach Yvonne gesucht hatten: Der Zirkel der Sieben kämpfte ums Überleben. Und nun befand auch sie sich mitten in dieser Schlacht.
    »Also schön.« Sie nickte. »Ich werde es versuchen. Mehr kann ich aber nicht versprechen, denn meine Gegner wissen sehr genau, was sie tun. Vadym und seine Freunde sind mystische Mathematiker. Bevor ihr kamt, war das Tor der Schmiede mit einem Bann versiegelt, der … zum Kuckuck! Was ist das denn?«
    Sie duckte sich hastig, als ein schneeweißer Vogel über die Reiter hinwegsegelte. Die Schwingen glänzten wie Seide. Der Vogel strich so tief über den Weg hinweg, dass Ravenna einen Lufthauch spürte. Im selben Augenblick erklang ein grauenhafter Schrei – das Kreischen einer Harpyie.
    Die Pferde scheuten. Schatten stürmten den Hang oberhalb der Straße herab. Brüllende Schatten mit blanken Schwertern. Der vorderste Reiter

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