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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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willst du von mir?«, fragte sie. »Wir reden doch nicht bloß zum Spaß miteinander.«
    Wieder strichen Elinors Finger über die Brust des weißen Raben.
    »Ich glaube eher, dass du etwas von mir möchtest«, erwiderte sie. »Einen Rat, wie man die nächste Herausforderung überlebt zum Beispiel.«
    O verdammt, dachte Ravenna. Verdammt . Sie hob die Hände und massierte ihre Schläfen. Yvonnes Worte hallten ihr in den Ohren: Ich glaube kaum, dass du die letzte Runde der Show überstehst, ohne Schwarze Magie anzuwenden.
    »Es ist ein Ei«, murmelte Elinor, während sie die Federspiele neben dem Platz des Adlers in Ordnung brachte. »Richtig? Der Teufel hat dir ein silbernes Ei gegeben. Und du hast keine Ahnung, was drin ist.«
    Erst nahm Ravenna an, dass die Marquise von den Vögeln sprach. Von gefangenen Vögeln und einem Krähennest im Turm der Hexen. Dann merkte sie, dass Elinor auf die Satteltaschen deutete, die halb unter Federn und Stroh begraben waren.
    Aber natürlich – der Hauptgewinn der dritten Runde! Sie hatte das Ding einfach den alchemistischen Gral getauft, weil sie es nicht besser wusste. Aber es war tatsächlich ein Ei. Plötzlich fiel ihr die Unmenge an Styroporflocken ein, die Beliar in ihre Satteltaschen gepackt hatte. War das etwa Polstermaterial für das Ei gewesen?
    Sie fiel auf die Knie und wühlte in der Tasche. Mit beiden Händen hob sie den silbernen Behälter heraus und drehte ihn nach allen Seiten. Er war unversehrt. Nicht ein Kratzer verunstaltete die Außenseite.
    Sie atmete auf. Behutsam stellte sie das Ei ins schmutzige Stroh. Die untere Hälfte des Kelchs hatte einen Fuß, der sich zum Boden hin verbreiterte. Nirgendwo gab es einen Riegel, ein Schloss oder auch nur eine Ritze, in die ihr Fingernagel gepasst hätte.
    Wie öffnet man ein alchemistisches Ei? Auf keinen Fall durfte sie es gewaltsam zerbrechen. Das hatte sie aus den Gesprächen an der Tafel der Sieben gelernt. Ein Loch in einer Socke oder ein Loch in einer Eierschale – sie und ihre Freunde konnten auf keinen Fall noch mehr Pech gebrauchen.
    »Würdest du mir wirklich helfen, das Ding zu öffnen?« Sie blickte zu Elinor auf. »Du willst doch sicher etwas dafür. Alle wollen immer eine Gegenleistung.«
    Die schwarze Hexe kam zu ihr. Der Rabe schlug mit den Flügeln und öffnete den Schnabel.
    »Verschaff mir ein Treffen mit Morrigan!«, verlangte die Marquise. »Nur eine einzige Begegnung. Ich will die Hexengöttin sehen, bevor ich sterbe. Es gibt Gerüchte, du könntest das. Man behauptet, du seist in der Lage, die Zeit anzuhalten und die Sterne am Himmel zurückzudrehen. Ich will wissen, was davon stimmt.«
    Ravenna versuchte zu lachen, aber es klang eher wie ein entsetztes Krächzen. »Da hat aber jemand gewaltig übertrieben. Morrigan erscheint, wann und wem sie will. Sie lässt sich weder überreden noch beschwören. Frag Norani – sie war gerade in einen Taubenschlag gekrochen, als Morrigan sie anerkannte. Tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann nichts für dich tun.«
    Elinor musterte sie mit einem kalten Blick. »Ich weiß, dass die Sieben dich unterrichtet haben. Aber mein Fachgebiet, die Kunst der schwarzen Magie, haben deine Freundinnen ausgespart. Dabei gibt es auf diesem Gebiet vieles, das du wissen solltest, bevor du durch dieses Tor trittst. Du hast es gesehen, als es noch hell war. Nicht wahr, das hast du? Dann weißt du also, dass du diese Reise nicht überleben kannst. Nicht ohne wenigstens ein paar Vorbereitungen zu treffen.«
    Ravenna senkte den Kopf. Ihre Finger spielten mit den Riemen der Satteltasche, während sie nachdachte. Dieses Tor würde sie umbringen. Gegen das Gebilde auf dem Montmago war das Tor in den Katakomben bloß eine Zeitpfütze gewesen. Sie spürte den Sog des magischen Stroms sogar durch die dicken Mauern. Die unwirkliche Kraft irritierte sie und machte sie nervös – so als würde die ganze Zeit über jemand hinter ihr stehen und ihr in den Nacken blasen.
    Es lag an dem Tor. Es war lebendig. Im Rhythmus der Nacht atmete es ein und aus und wartete auf sein nächstes Opfer.
    Endlich hob sie den Kopf. »Die Sieben haben mich vor schwarzer Magie gewarnt. Vor der Schwarzkunst und vor dir.«
    Elinor lächelte. »Natürlich haben sie das. Magie ist immer ein Spiegel der Seele. Du kannst nur geben, was in dir ist. Im Fall der Schwarzkunst ist es jedes Mal ein bisschen mehr, als du verkraften kannst.«
    Ravenna betrachtete die Hexe vom Hœnkungsberg. »Mein Gott«, stieß sie

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