Tore der Zeit: Roman (German Edition)
ich.«
»Wo ist er?«, fragte Ravenna knapp. »Nur damit das klar ist: Ich werde nicht mit ihm verhandeln. Sobald er irgendwelche Forderungen stellt, ist das Gespräch zu Ende.«
Sie wusste nicht genau, was sie tun würde, sobald sie dem Meister aller Hexer und Dämonen gegenüberstand. Sie hatte ihn schon einmal gebannt, aber das war mitten im Tanzkreis der Sieben gewesen. Sie hatte keine Ahnung, ob sie ohne die Hilfe ihrer Freundinnen einen Zauber wirken konnte, der stark genug war, um Beliar für die nächsten tausend Jahre in die Dunkelheit zu schicken.
»Eure Leute sollten den Eingangsbereich räumen«, sagte Lucian zu dem Medium. »Zieht Euch in die oberen Stockwerke zurück und bleibt weg von den Fenstern. So macht man es bei einer Belagerung: Man verteidigt immer ein Stockwerk nach dem anderen.«
»Sie sollten besser auf ihn hören!«, bekräftigte Ravenna. »Glauben Sie mir, von Belagerungen versteht Lucian etwas.«
»Geht alle zurück in eure Büros«, rief das Medium den Kolleginnen und Kollegen zu. Die enttäuschten Gesichter verrieten, dass die Mitarbeiter auf ein schnelles Ende der Krise gehofft hatten.
»Na los!«, verlangte das Medium. »Dort oben ist es sicherer.«
Mit energischen Schritten führte die Kleine die Gruppe an. Sie stiegen eine Treppe hinauf und gingen durch eine zweite Glastür. Plötzlich erkannte Ravenna den endlosen Flur wieder.
»Das Studio«, murmelte sie. »Er verschanzt sich im Studio?«
Das Medium nickte.
Am Ende des Gangs brannte die rote Warnlampe. Émission .
Zögernd trat Ravenna auf die Doppeltür zu. Hier hatte alles begonnen, vor einer gefühlten Ewigkeit. Wie nervös war sie damals gewesen! Ihr einziger Gedanke hatte den Fragen der ersten Runde gegolten. Doch dann war alles ganz anders gekommen.
Sie legte die Hand auf den Türknauf und ließ ein paar Sekunden verstreichen. Dann warf sie Lucian einen Blick zu. Er nickte beruhigend. Mit dem Daumen lockerte er Cors Scheide, legte die Finger der linken Hand um den Griff. Vanessa winkte ihrem Kamerateam, damit sie keine Sekunde verpassten. Ihre Nasenflügel bebten.
»Wir betreten jetzt das Studio, in dem die Show gedreht wurde«, sprach sie mit gedämpfter Stimme ins Mikrofon. »Offenbar bereitet sich Ravenna auf einen Zweikampf vor. Gleich wird sie es mit dem Großmeister des WizzQuizz aufnehmen.«
Adrenalin jagte durch ihre Adern. Lucian blieb unmittelbar hinter ihr, als sie die Tür aufstieß. Sie hörte an seinen Atemzügen, dass auch er angespannt war.
Die großen Scheinwerfer waren ausgeschaltet, die Kameras mit grauen Hüllen abgedeckt. Bis auf eine Lampe am Mischpult war der Raum dunkel. Ravenna nahm ihren ganzen Mut zusammen und trat in die Arena.
»Beliar?«
Sofort spürte sie ein Ziehen zwischen den Schulterblättern. Wie ein kalter Lufthauch strich ihr das Gefühl den Rücken hinauf. Er ist hier, dachte sie.
Auf den Zuschauerrängen raschelte etwas. Lucian wirbelte herum. Mit einer einzigen Bewegung schleuderte er die Scheide von Cors Klinge, rannte dem Angreifer entgegen. Der Schatten kam den Mittelgang herab.
Im selben Moment flog die Tür des Kerkers auf. Ein schwarzer Ritter stürzte sich auf Ravenna, eine Gestalt wie aus einem Albtraum. Der Angreifer war von Kopf bis Fuß in getriebenen Stahl gehüllt. Sein Visier war geschlossen, die Augen funkelten rot hinter den Sehschlitzen. Ein mächtiger Skorpionschwanz bäumte sich hinter ihm auf. Über dem Kopf schwang der Gepanzerte ein gezacktes Schwert, das von grellen Flammen umhüllt war.
Das träumst du – dieser Gedankte durchzuckte Ravenna im Bruchteil einer Sekunde. Dann wurde ihr klar, dass der Angreifer sie töten würde. Sie konnte diesem Schlag nicht ausweichen. Und Lucian war bereits auf halbem Weg zur Tribüne. Er konnte ihr nicht mehr helfen.
Die Klinge sauste auf sie nieder. Ihre Zunge löste sich vom Gaumen, die Lippen öffneten sich zu einem Schrei. Ihre Arme zuckten. Aber der vernichtende Schwertschlag kam viel zu schnell. Eine Hitzewelle strich ihr über das Gesicht.
Ein Knall zerriss die Luft. Ein Strahl aus Pulverdampf flog an ihrem Ohr vorbei. Der gespenstischer Ritter wurde gewaltsam nach hinten gerissen. Das brennende Schwert flog ihm aus der Hand und rutschte unter die Tribüne. Chemischer Gestank brannte ihr plötzlich in der Nase. Da erst wurde ihr klar, dass alle Anwesenden im Raum schrien – sie eingeschlossen.
Beliar brach in die Knie. An den Augen erkannte sie ihn. Diesen hasserfüllten Blick würde sie niemals
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