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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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geschlafen.
    »Wir möchten uns in aller Form entschuldigen«, sagte sie als Erstes zu Ravenna. »Für die Unannehmlichkeiten und die Aufregung während der Show. Es tut uns aufrichtig leid.«
    Weißes Kameralicht umschwirrte sie. »Muss das wirklich sein?«, seufzte das Medium gereizt. »Hatten wir nicht schon genug Öffentlichkeit?«
    Vanessa Chanterel setzte sich zu ihnen, ein Mikro in der Hand. »Wir zeichnen das Gespräch auf«, beharrte sie. »Die Menschen vor dem Funkhaus haben ein Recht drauf, die Wahrheit zu erfahren. Sonst werden sie keine Ruhe geben, fürchte ich. Und Ravenna wird nicht mehr da sein, um den Fluch ein weiteres Mal abzuwenden.«
    Ravenna setzte sich aufrechter hin. Dieses Mal würde es also Zeugen geben. Sie streifte sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie war noch immer ungekämmt und trug die Sachen, die sie sich im Hotel hastig übergezogen hatte. Auch ihr Ritter sah kaum besser aus. Lucians Leinenhemd war schmutzig und an etlichen Stellen zerrissen. Mit dem Schwertgurt über der Schulter und dem geschienten Arm sah er ziemlich verwegen aus. Der Leibwächter einer Hexe.
    Das Medium schwitzte. Vor ihrem geistigen Auge konnte Ravenna förmlich sehen, wie die Nadel auf dem Hexenbrett zwischen den Runen Flucht und Angriff pendelte. In diesem Augenblick tat ihr die Kleine beinahe leid.
    »Unter der Voraussetzung, dass du eine Verzichtserklärung unterzeichnest und von Klagen auf Schadensersatz und dergleichen absiehst, zahlt dir der Sender eine Entschädigung«, erklärte das Medium. Mit dem Finger schob es die riesige Brille wieder auf die Nase. »Und zwar genau eine Million Euro.«
    Der Schock breitete sich in Wellen in Ravennas Körper aus. Zuerst wurden ihre Hände taub, dann die Füße. Offenbar war in ihrem Gesicht blankes Entsetzen zu lesen, denn das Medium fuhr hastig fort: »Das ist selbstverständlich nicht der Hauptgewinn der Show. Es steht uns nicht zu, das Preisgeld nachträglich auszuzahlen. Es ist, wie gesagt, eine Art Wiedergutmachung.«
    »Blutgeld«, knurrte Lucian.
    »Bestechung«, ließ Vadym sich vernehmen. »Sei bloß nicht dumm, Ravenna. Greif zu!«
    Während alle Anwesenden sie anschauten, blickte sie auf ihre Hände. Sie drückte ihre Knöchel so fest gegeneinander, dass die Haut weiß wurde. Dann hob sie langsam die Hand und reckte drei Finger in die Kamera.
    The Rule of Three. Das Gesetz der Hexen hatte sich erfüllt. Sie bekam, was sie verdiente. Und Beliar ebenso. Sie konnte sich den Jubel vorstellen, der in diesem Moment vor dem Funkhaus losbrach.
    »Ich stelle zwei Bedingungen«, sagte sie. »Erstens: Das WizzQuizz wird abgesetzt. Von dieser Show gibt es keine neue Staffel mehr. Keine Jagd quer durch Paris und die Katakomben. Es ist vorbei.«
    Das Medium nickte. »Und die zweite Bedingung?«
    »Niemand interviewt meine Schwester«, sagte Ravenna leise. »Weder heute noch irgendwann. Yvonne bleibt endgültig außen vor.«
    »Einverstanden.« Das Medium wirkte erleichtert. Sie fing an, in den Papieren herumzublättern und Eintragungen zu machen. Dann unterzeichnete sie den Vertrag und gab Ravenna die Unterlagen. »Lies alles in Ruhe durch, bevor du unterschreibst. Wenn es Fragen gibt …«
    Die Kleine zuckte die Achseln.
    Das wird nicht nötig sein, dachte Ravenna. Sie hatte keine Fragen mehr. Sie war heilfroh, ihre Rechnungen bezahlen zu können und Paris in ein paar Tagen den Rücken zu kehren. Insgeheim schwor sie sich, nie wieder in einer Fernsehshow aufzutreten.
    Sie überflog die Papiere und blätterte bis zur letzten Seite. »Chandra Moreno« stand da in schwungvollen Buchstaben.
    »Autsch«, murmelte Ravenna. »Das ist Ihr Name? So heißen Sie? Das wollte ich gar nicht wissen. Denn nun bin ich an einen falschen Schwur gebunden, den ich eigentlich nicht halten wollte.«
    Verständnislos sah das Medium sie an. »Chandra«, wiederholte sie. »Chandy für meine Freunde.«
    Der Rest war reine Formsache. Das Medium winkte den Regieassistenten zu sich. Der junge Mann trug einen Aluminiumkoffer in der Hand und überreichte ihn feierlich.
    »Keine Rätsel diesmal«, versicherte das Medium. »Und keine Alchemie. Der Code ist Ihr Geburtsdatum.« Sie klopfte auf das Zahlenschloss. »Viel Spaß damit.«
    Nach diesen Worten stand sie auf und verließ die Tribüne. Betäubt starrte Ravenna hinter ihr her. Es war vorbei. Beliar war fort, besiegt durch das Gesetz der dreifachen magischen Vergeltung. Das Gewicht des Koffers auf ihren Knien fühlte sich seltsam an. Die

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