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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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auf keinen Fall filmen lassen.
    Die greise Hexe beugte sich vor. »Natürlich fließt der Strom noch«, sagte sie. »Und weißt du auch, wieso? Weil Beliar eine Zauberin an seiner Seite hat, die mächtig genug ist, um den Strom durch ihren Willen zu lenken. Deine Schwester. Sie hat uns alle vernichtet.«
    Ravenna fühlte einen so heftigen Stich, als hätte sie ein blankes Stromkabel angefasst. »Yvonne? Du weißt etwas über Yvonne? Wo ist sie?« Die Andeutung der alten Hexe war der erste brauchbare Hinweis seit Wochen, seit Monaten. Sie wollte mehr hören!
    Die Händlerin lachte. Fröhlich klang es nicht – eher wie Reisig, den jemand in Stücke brach. »Freu dich bloß nicht zu früh«, warnte die Hexe. »Freu dich besser gar nicht auf ein Wiedersehen mit Yvonne. Es sei denn, du bist darauf gefasst, alles zu verlieren.«
    Ravenna stand auf. Die Alte blufft doch bloß, dachte sie. Sie klopft Sprüche und versucht herauszufinden, ob ich mich vor ihrer angeblichen Weissagung erschrecke.
    »War nett, sich mit dir zu unterhalten«, murmelte sie. »Aber ich schätze, es wird das Beste sein, wenn ich jetzt gehe. Draußen wartet ein Filmteam auf ein paar Aufnahmen mit mir.«
    Die alte Hexe steckte das Messer in die Scheide am Gürtel. Am oberen Ende war der Weidenzweig noch grün. »Dir läuft die Zeit davon, Schätzchen«, sagte sie. »Bald wird etwas geschehen, das Beliar zum Mächtigsten aller Schwarzmagier und Dämonen macht. Dann wirst auch du ihm nicht mehr gewachsen sein. Wie du ihn aufhältst, bevor es zu spät ist – das ist das einzige Rätsel, das du lösen solltest.«
    Ravenna schob die Hände in die Hosentaschen. »Du machst mir keine Angst«, behauptete sie. Trotzdem legte sich eine eisige Klammer um ihr Herz. »Du weißt zwar eine Menge, aber nicht alles. Beliar hat sich verändert. Er spielt nun eine neue Rolle, die es noch viel schwerer macht, an ihn heranzukommen. Er tritt jetzt in der Öffentlichkeit auf. Als Hexenmeister.«
    Die Nachfahrin der Hexe Mavelle raffte sich auf. Den Zweig behielt sie dabei in der Hand. »Vier Fürsten«, sagte sie. »Der Teufel hat vier Fürsten um sich geschart. Jeder von ihnen hütet einen magischen Gegenstand. Ein Artefakt.«
    Ravenna fröstelte. Plötzlich wünschte sie, sie hätte diesen Laden nie betreten.
    »Deine Schwester wacht über das …«
    »Über das Feuer«, fiel sie der Alten ins Wort. »Ich weiß. Ich habe sie gesehen, als sie loszogen. Als Beliar seine apokalyptischen Reiter ausschickte.«
    Die greise Hexe nickte. »Allerdings, das hat er«, murmelte sie. »Das hat er. Seit du fort bist, lässt er seine Botschaft im ganzen Land verkünden. Im Reich der Sieben herrscht Krieg, Ravenna. Wenn du und Lucian nicht bald zurückkehrt, sind die Hexen dem Untergang geweiht. Und falls du Yvonne je zurückgewinnen willst, musst du ihr diese Macht nehmen. Hast du das verstanden? Du musst zerstören, was sie geworden ist.«
    Ravenna starrte die Alte an. Ihr Herz pochte. »Sie ist meine Schwester. Ich habe nicht das Recht, ihr etwas wegzunehmen. Selbst wenn es ihr schadet.«
    Die Alte hob den Weidenzweig. »Weißt du, was mit jemandem geschieht, der der Schwarzkunst verfällt?« Rasch bewegte sie die Hand am Ast entlang. Die Blätter entfalteten sich. Sie wurden groß und saftig. Die Weidenkätzchen brachen auf. Als die Hexe jedoch den Stopfen von einer Flasche zog und das Ende der Rute in die Flüssigkeit tauchte, wurde der Zweig grau. Faulige, schwarze Adern durchzogen den Trieb. Als die alte Hexe den Zweig schüttelte, zerfiel er wie die Asche einer abgebrannten Zigarette.
    »Menschen, die in magischen Angelegenheiten zu weit ge hen, werden von ihrem inneren Feuer aufgezehrt«, warnte die Greisin. »Sie verändern sich. Und sterben. Wenn du deine Schwester retten willst, musst du dich beeilen. Du musst die Macht der Feuerfürstin brechen.«
    Vom stechenden Geruch, der den vollgestopften Laden plötzlich erfüllte, wurde Ravenna schlecht. »Danke«, murmelte sie. »Vielen Dank für die Warnung. Ich weiß, dass man Seherinnen fürstlich entlohnen sollte. Aber ich habe nichts, was ich dir geben kann. Ich habe kein Geld. Und ich wurde gerade bestohlen.«
    Die Alte zuckte die Achseln. »Kehre in die Zeit der Hexen zurück und halte auf, was dort geschieht! Das soll mir Lohn genug sein. Und nun geh.«
    Unter dem Rolltor schaute Ravenna noch einmal zurück. »Ich lasse euch nicht im Stich«, beteuerte sie. »Niemals. Ich bin eine der Sieben. Ich habe geschworen, dass ich zu

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