Tore in der Wüste
durch die Maschine laufen lassen, um h e rauszufinden, was als nächstes geschah. Ich richtete mich auf, umklammerte das Seil mit den Knien, begann wieder, langsam zu schwingen.
Einen Augenblick sah ich hoch, wo meine neun Meter lange Marionettenschnur im Halbschatten befestigt war. An einem T-Träger, ganz oben an der Decke, hatte ich sie bef e stigt. Ich trug einen dunklen Pulli und ebensolche Hosen, d a zu hatte ich dünne, geschmeidige Turnschuhe an. Ich hatte das Seil zusammengeschlungen über der linken Schulter getragen, bis ich den Punkt erreichte, der am günstigsten über dem Apparat lag.
Ich war durch ein Dachfenster eingestiegen, nachdem ich einige Drähte und Absperrungen zerschnitten sowie drei Alarmsysteme außer Funktion gesetzt hatte. Meine erworb e nen Kenntnisse in Elektrotechnik hatten mir dabei ausg e zeichnete Dienste geleistet. In der Halle selbst war es du n kel, die einzigen Lichtquellen befanden sich nahe am Boden, um das Gerät herum, das sie von unten her anstrahlten. Eine Kordel umgab die Maschine vollkommen, in ihr waren ele k trische Sensoren verborgen, Sensorplatten im Fußboden und in der Plattform verrieten sofort jeden noch so leichten Schritt. Auch eine Fernsehkamera befand sich über dem G e rät. Ich hatte sie ein wenig verschoben. Sie war nun zwar noch immer auf die Maschine gerichtet, aber etwas weiter südlich, da ich mich ihr von Norden nähern wollte, wo der Gürtel sich verflachte, bevor er die Zentraleinheit erreichte – ein Kunststückchen, das ich im Verlauf des Kurses in Pr o grammgestaltung gelernt hatte. Natürlich patrouillierten auch Wachen, aber einer der Wächter war eben erst hierg e wesen, und ich hatte die Absicht, schnell zu sein. Aber alle Pläne haben ihre Grenzen und Schwächen – sonst könnten die Versicherungsgesellschaften nicht reich werden.
Die Nacht war bewölkt, es wehte ein sehr kalter Wind. Mein Atem kondensierte zu geisterhaften, verwehenden Wölkchen. Der einzige Zeuge meiner Fingerübungen an dem Dachfenster war eine müde aussehende Katze, die in der Nähe zusammeng ek auert lag. Schon als ich in der Stadt angekommen war, war es so kalt gewesen, gestern nacht. Es war eine Reise, die auf eine Entscheidung zurückging, die ich tags zuvor auf Hals Sofa getroffen hatte.
Nachdem Charv und Ragma mich auf meinen ausdrückl i chen Wunsch im Schutze der Dunkelheit fünfzig Meilen von der Stadt entfernt abgesetzt hatten, war ich per Anhalter kurz nach Mittemacht bereits in meiner Nachbarschaft gewesen. Und das war auch gut so.
Da ist eine Seitenstraße, die als Sackgasse in die Straße, in der ich wohne, einmündet. Mein Wohnhaus liegt ihr d i rekt gegenüber. Wenn man diese Straße entlanggeht, kann man die Fenster meines Apartments ausgezeichnet sehen. Meine Augen blickten daher natürlich auch suchend in diese Richtung. Sie waren finster, wie sie es nachts auch sein sol l ten. Dunkel. Blank.
Aber dann, ein halbe Minute später, als ich mich bereits der Ecke näherte, sah ich ein kurzes, helles Aufflackern. Danach wieder Schwärze.
Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre mir das entgangen, wahrscheinlich hätte ich überhaupt nicht darauf geachtet. Es hätte ja leicht eine Spiegelung sein können, eine Reflektion. Und doch …
Ja. Da ich nun schon mehrmals übertölpelt worden war und noch immer die Schmerzen spürte, wäre es eine Dum m heit gewesen, nicht besonders auf der Hut zu sein. Weder dumm noch leichtsinnig sein, das sagte ich mir in diesem Augenblick und wandte mich nach rechts.
Ich umkreiste mehrere Blocks im Quadrat, bis ich schlie ß lich wieder von hinten an mein Haus gelangte. Es gab auch einen Hintereingang, doch den mied ich, statt dessen ging ich an eine Stelle, wo ich von der Regenrinne aus zu einem Sims und von dort zur Feuertreppe gelangen konnte, was ich auch tat.
Schon kurze Zeit später war ich auf dem Dach und ging darauf entlang. Weiter ging es, die Dachrinne hinab, bis zu der Stelle, wo ich damals gestanden hatte, als ich mit Paul Byler gesprochen hatte. Von dort beugte ich mich seitlich hinüber und spähte in mein Schlafzimmerfenster. Zu dunkel, um etwas mit Bestimmtheit sagen zu können. Aber es war ja auch das andere Fenster gewesen, durch das ich das kurze Aufflackern g e sehen hatte, wahrscheinlich das Anzünden einer Zigarette.
Ich legte meine Fingerspitzen an die Scheibe, drückte fest zu und schob dann die ganze Hand nach oben. Das Fenster glitt lautlos aufwärts, der Lohn meines Geschicks. Da ich nur wenig
Weitere Kostenlose Bücher