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Tore in der Wüste

Tore in der Wüste

Titel: Tore in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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unter meinen diversen Neurosen nach dem Grund, warum sie ausgerechnet diese Form annahm. Nichts bot sich auf die Schnelle an. Aber schließlich sind Neurosen auch durchtriebene kleine Teufel, wenn man Dr. Marko Glauben schenken will; wenn sie auftreten, dann muß man ihnen schon ihren Willen lassen.
    „So“, flüsterte er wenige Minuten später. „Sie sind frei. Folgen Sie mir.“
    Er bewegte sich von mir weg.
    „Halt!“
    Er blieb stehen, kam zurück.
    „Was ist denn los?“ fragte er.
    „Ich kann mich noch nicht bewegen. Geben Sie meinem Kreislauf eine Chance, ja? Meine Hände und Füße sind wie abgestorben.“
    Er schnaubte und kam her zu mir.
    „Dann ist Bewegung die beste Therapie“, dozierte er, griff nach meinem Arm und zerrte mich in eine sitzende Position nach vorn.
    Für eine Halluzination war er bemerkenswert kräftig, und er hörte nicht auf zu zerren, bis ich auf alle viere kippte. Ich zitterte zwar, doch es gelang mir, mich in dieser Stellung zu halten.
    „Gut“, sagte er und klopfte mir auf die Schulter. „Nun kommen Sie schon.“
    „Warten Sie! Ich sterbe vor Durst.“
    „Tut mir leid. Ich muß weiter. Aber wenn Sie mir folgen, dann kann ich Ihnen etwas zu trinken in Aussicht stellen.“
    „Wann?“
    „Überhaupt nicht“, schnarrte er, „wenn Sie nur hier sitzen bleiben. Ich glaube, ich höre sogar schon Geräusche im Lager. Kommen Sie doch endlich!“
    Ich begann, auf ihn zuzukriechen. „Bleiben Sie geduckt“, sagte er zu mir, was unnötig war, da ich sowieso nicht aufstehen konnte. Dann bewegte er sich von dem Lager weg, in östlicher Richtung, grob parallel zu dem Graben, den ich aufgeworfen hatte. Ich kam nur langsam voran, daher blieb er gelegentlich stehen, damit ich mit ihm Schritt halten konnte.
    Ich folgte ihm einige Minuten lang, dann begannen meine Extremitäten zu kribbeln, hin und wieder konnte ich sogar etwas fühlen. Das ließ mich zusammenbrechen, und noch im Fallen krächzte ich einige Obszönitäten. Sofort watschelte er auf mich zu, also schwieg ich, bevor er mir wieder die Pfote in den Mund stecken konnte.
    „Sie sind wirklich außergewöhnlich schwer zu retten“, sagte er. „Abgesehen von Ihrem Kreislauf scheinen auch Ihre Urteilskraft und Ihre Selbstkontrolle nur sehr mäßig zu sein.“
    Mir fiel noch eine Obszönität ein, aber die flüsterte ich nur.
    „Was Sie auch unaufhörlich demonstrieren“, fügte er hinzu. „Sie müssen doch nur zwei Dinge tun: mir folgen und still sein.
    Bei beiden sind Sie nicht besonders gut. Es verwundert einen doch …“
    „Bewegen Sie sich!“ fuhr ich ihn an. „Ich komme ja schon.“
    „Und Ihre Emotionen …“
    Ich langte nach ihm, aber er wich zurück und trottete weiter.
    Ich folgte ihm, wobei ich jeden Wunsch vergaß, außer dem, das kleine Biest zu erwürgen. Es spielte keine Rolle, daß die Situation vollkommen absurd war. Ich konnte sowohl Merimee als auch Marko für diese Situation heranziehen, ein entgegengesetztes Paar von Zerrspiegeln, mit mir in der Mitte, dem Wombat auf der Spur.
    Ich folgte ihm murrend, das Adrenalin brannte in meinen Adern. Ich verlor jegliches Zeitgefühl, nur hin und wieder spie ich den Staub aus, den er aufwirbelte.
    Der Hügel, an dem wir uns entlangbewegten, wurde flacher und verschwand schließlich ganz. Wir bewegten uns einwärts, aufwärts, dann wieder abwärts, durch Felsenkorridore immer tiefer in die Dunkelheit hinein, über einen Weg, der mittlerweile nur noch aus Felsen und Geröll bestand. Ich rutschte einmal aus, und sofort stand er neben mir.
    „Alles in Ordnung?“ fragte er.
    Ich wollte lachen, bekam mich aber wieder unter Kontrolle.
    „Sicher, mir geht es blendend.“
    Er war sorgsam darauf bedacht, nicht in meine Reichweite zu gelangen.
    „Es ist nicht mehr weit“, sagte er entschuldigend. „Bald können Sie sich ausruhen. Ich werde Sie dann auch mit Nahrungsmitteln versorgen.“
    „Tut mir leid“, sagte ich, bemüht aufzustehen, aber ich scheiterte. „Das war’s. Wenn ich dort ausruhen kann, dann kann ich ebensogut hier ausruhen. Die Luft ist raus.“
    „Der Weg ist steinig“, sagte er, „daher werden sie Ihnen wohl kaum folgen können. Aber ich würde mich wohler fühlen, wenn Sie mir nur noch ein paar Schritte weit folgen würden. Es gibt auf dieser Seite eine Nische, und die Chancen sind sehr groß, daß sie dort vorübergehen, ohne etwas zu merken, wenn sie zufällig doch auf unsere Fährte stoßen sollten. Was meinen Sie, wäre das nicht

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