Tori und die verschwundene Stute
Washington.
Die Tür quietschte leise, als Tori sie aufzog. Einen Moment lang starrte sie in die undurchdringliche Finsternis. Aber dann gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Sie erkannte einen Schemen am Fenster. Da stand jemand und starrte nach drauÃen.
âJonas?â Ihr ganzer Körper überzog sich plötzlich mit einer Gänsehaut. Hoffentlich war es auch wirklich Jonas, der da am Fenster stand.
âIch habâs vermasselt.â
Gott sei Dank, das war seine Stimme.
âWas? Wovon redest du?â Tori zog den Rucksack von der Schulter und wühlte nach ihrer Taschenlampe. Da war sie ja.
Puh, im bleichen Licht der Lampe wirkte Jonas wie ein Gespenst.
âEs tut mir so leidâ, sagte er tonlos.
âWas ist denn los?â
Heinrich war abgehauen, das war los. Nachdem sie eine Weile im Schuppen gewartet hatten, war der Hund so unruhig geworden, dass Jonas ihn nach drauÃen gebracht hatte. âIch hab gedacht, er muss malâ, erklärte er Tori.
âHast du ihn nicht angeleint?â
âDoch, natürlich. Aber als wir drauÃen waren, hat er sich losgerissen. Der hatte eine solche Wucht drauf, das kannst du dir nicht vorstellen.â
âWarum bist du ihm denn nicht nach?â
âBin ich doch. Aber der war echt schnell. Und natürlich hat er kein bisschen auf mich gehört, als ich ihn gerufen habe.â
Natürlich nicht. Tori lieà sich kraftlos auf eine Holzbank sinken. âDas kann doch nicht wahr sein. Sag, dass das nicht wahr ist!â
Jonas schwieg.
âDu hättest ihn nur ordentlich festhalten müssenâ, meinte Tori. âAlso echt. Das war ja wohl nicht zu viel verlangt.â
âAch ja?â Jetzt klang Jonasâ Stimme auf einmal ziemlich genervt. âNa, wenn du alles so viel besser weiÃt, hättest du dich doch um den Köter kümmern können, anstatt mich hier stundenlang mit ihm allein zu lassen. Ich hab doch gesagt, dass ich mich mit Hunden nicht auskenne.â
Das war ja wohl der Gipfel! Nun versuchte er auch noch, die Schuld auf sie zu schieben.
âHör mal, weiÃt du überhaupt, was du da angerichtet hast?â, schrie Tori. âHeinrich ist schnurstracks nach Hause gerannt. Er war unsere letzte Hoffnung, Becky und ihr Fohlen wiederzukriegen. Und du lässt ihn einfach wegrennen!â
âMann, jetzt reichtâs aber!â, brüllte Jonas. âWie sprichst du eigentlich mit mir? Du spinnst wohl! Sina hat Recht, du bist wirklich eine Oberzicke!â
Er griff mit der einen Hand nach seiner Tasche, mit der anderen nach dem Schlafsack, dann stürmte er an Tori vorbei nach drauÃen. Bevor sie aufgestanden und ihm gefolgt war, saà er schon auf seinem Fahrrad.
âDas kannst du doch jetzt nicht bringenâ, rief sie. âMann, Jonas, warte mal!â
Seine Fahrradreifen quietschten. Dann war er weg.
Toris Knie waren auf einmal ganz weich. Sie lehnte sich an die Schuppentür. Das war ein einziger Albtraum! Heinrich war fort und Jonas ebenfalls. Seine letzten Worte gellten noch in Toris Ohren.
Sina hat Recht. Du bist wirklich eine Oberzicke!
Das war echt ⦠das war â¦
Tori fehlten die Worte.
Erst benahm sich Jonas wie der letzte Idiot und lieà den Hund entkommen. Und dann machte er sie dafür an.
Das warâs, dachte Tori, während sie die Schuppentür zuknallte. Sollten die Fischers doch aufwachen und die Polizei rufen. Jetzt war ohnehin alles egal.
Auf der Ranch hörte sie Fritz heulen. Aber auch das kümmerte sie nicht mehr. Sie war fertig mit der Welt. Und vor allem mit Jonas Spitzer.
Sina hat Recht. Du bist wirklich eine Oberzicke . Tori wurde diese Worte einfach nicht mehr los. Sie hallten in ihrem Kopf wider wie das Echo in einer Tropfsteinhöhle. Du bist wirklich eine Oberzicke.
Oberzicke.
Oberzicke.
Es war sinnlos, bei diesem Aufruhr in ihrem Kopf konnte sie einfach nicht einschlafen. Verdammt!
Tori richtete sich auf und starrte in die Dunkelheit ihres Schlafzimmers.
Sie dachte an Jonas. Wie traurig seine Stimme geklungen hatte, als er ihr erzählt hatte, dass Heinrich entwischt war. Ich habâs vermasselt.
Und wie hatte sie reagiert? Anstatt ihn zu trösten, hatte sie gleich losgekeift.
Oberzicke.
Oberzicke.
Oberzicke
Es stimmt, erkannte sie plötzlich. Ich hab mich total mies benommen.
Sie hatte doch genau gewusst, dass Jonas Angst vor Hunden hatte. Und trotzdem hatte sie ihn
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