Tori und die verschwundene Stute
stundenlang mit Heinrich allein gelassen. Es hatte schiefgehen müssen. Und es war schiefgegangen. Und daran war allein Tori schuld und keiner sonst. Und zu allem Ãberfluss hatte sie vorhin Sue glatt angelogen.
âVerdammtâ, murmelte Tori. âWie kann ich das je wiedergutmachen?â
Dann zuckte sie zusammen. Hatte sie nicht eben ein Klopfen an der Scheibe gehört? Stand Jonas etwa unten im Garten, warf Steinchen gegen ihr Fenster und wollte sich mit ihr aussprechen?
âIch kommeâ, flüsterte Tori und rannte zum Fenster.
Aber der Garten lag leer und verlassen im gelben Licht der StraÃenlampen.
In der Höhle des Löwen
âEs ist für dich.â
Aaah! Mütter konnten so grausam sein. Und Toris Mutter war die Schlimmste. Sie legte das Telefon auf Toris Kopfkissen, neben Toris Ohr, obwohl sie doch noch im Tiefschlaf lag.
âTori? Hallo?â, quäkte eine Stimme aus der Ferne.
Wenn sie nicht so verdammt müde gewesen wäre, hätte sie einfach aufgelegt. Aber sie war zu schlapp, um sich zu rühren. Es war allerhöchstens eine halbe Stunde her, dass sie eingeschlafen war.
âDieser Jonasâ, sagte ihre Mutter spitz.
Dieser Jonas. Jonas?! Plötzlich saà Tori aufrecht im Bett.
âHallo?â Wo war denn nun dieses blöde Telefon?
Immerhin war ihre Mutter feinfühlig genug, den Raum zu verlassen. Auch wenn sie die Tür offen lieÃ. Wahrscheinlich stand sie jetzt im Flur und lauschte.
âJonas, was gibtâs?â
âEr hat angerufen.â
âWer? Heinrich?â So ein Blödsinn.
âMüller.â
âMüller?â Wenn sie nur nicht so benebelt gewesen wäre!
âDr. Stefan Müllerâ, ergänzte Jonas. âSchleyer AG .â
âBitte was?â, flüsterte Tori. âWieso ruft der denn an?â Sie schluckte aufgeregt. âWoher hat der überhaupt deine Nummer?â
âDas frage ich mich auchâ, sagte Jonas. âIch soll in einer halben Stunde bei ihm zu Hause sein.â
âWas will er denn von dir?â
âKeine Ahnung. Aber wenn ich nicht komme, ruft er die Bullen.â
Du liebe Zeit. Das war ja ein Albtraum.
âDas wollt ich dir nur sagenâ, meinte Jonas.
âWas soll das denn heiÃen?â, rief Tori. âIch komm natürlich mit!â
âWirklich?â Jetzt klang Jonasâ Stimme nicht mehr ganz so grabesdüster. âDas ist â¦. echt okay von dir.â
âNa hör mal. Mitgefangen, mitgehangen. Gib mir eine Viertelstunde. Wir treffen uns an der Ecke Lilienallee RosenstraÃe.â
âWorum gingâs denn?â, fragte ihre Mutter aus dem Flur, kaum dass Tori aufgelegt hatte.
âJonas ⦠äh ⦠fährt heute in Urlaub. Er fragt, ob ich ihm für die Zeit ⦠mein Lateinbuch leihen kann. Er hat seines in der Schule gelassen.â
âEr will das Lateinbuch mit in die Ferien nehmen?â
âSind schlieÃlich nicht alle so faul wie ich.â Tori schlüpfte in ihre Jeans und griff dann nach dem T-Shirt.
âWas ist mit dem Frühstück?â, fragte ihre Mutter.
Tori schüttelte den Kopf. Das Frühstück fiel heute aus.
Vor der Höhle des Löwen. Tori und Jonas starrten auf die Doppelhaushälfte, vor der immer noch die überquellende Mülltonne stand. Irgendwie kam Tori das Haus heute viel düsterer und unheimlicher vor als gestern.
âIch frag mich echt, wie er rausbekommen hat, dass ich Heinrich entführt habeâ, murmelte Jonas.
âVielleicht kann das Tier sprechenâ, mutmaÃte Tori. âEin Zauberhund.â
Aber Jonas war nicht nach Scherzen zumute.
âHör malâ, sagte Tori. âBevor wir reingehen, wollte ich dir noch was sagen.â
âAha.â
Hörte er ihr überhaupt richtig zu? Auf jeden Fall wandte er keinen Blick von dem blöden Haus.
âIch hab mich total scheiÃe benommen gestern. Ich hätte dich nicht so lange allein lassen sollen. Und dass ich dich angeschrien habe, war auch nicht in Ordnung.â
Jonas nickte, ohne sie dabei anzusehen.
âEs war sogar richtig gemeinâ, fuhr Tori fort. âTut mir leid.â
âIst schon okay.â
Aber wenn es okay war, warum sah er sie dann nicht an? Warum lächelte er nicht mal, wenigstens kurz?
Jonas blickte auf seine Armbanduhr. âIch glaube, wir müssenâ, seufzte er.
Als sie
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