Tori und die verschwundene Stute
hingebungsvoll an Toris Hand. Bitte, bitte, hol jetzt den Ball raus! Aber auch diesmal wurde er enttäuscht. Sie wuschelte nur durch sein Fell und versetzte ihm einen leichten Klaps. âTschüss, Heinrich. Ich komm dich mal wieder besuchen.â
Heinrich wedelte betrübt.
âWenn ich darfâ, fügte sie mit einem Seitenblick auf Dr. Müller hinzu.
âNatürlich. Jederzeit.â Er lächelte erfreut. âMein Sohn würde sich bestimmt auch freuen.â
âIst er das?â, fragte Tori und zeigte auf ein Foto, das in einem Goldrahmen neben der Garderobe hing. Ein Familienporträt. Vater, Mutter, Kind, erkannte Tori. Aber die Mutter war inzwischen tot, das hatte Herr Müller ja vorhin erzählt.
âDas gibtâs doch nichtâ, murmelte Jonas. Er ging ganz nah an das Bild heran, dann riss er den Rahmen von der Wand. âDas gibtâs doch gar nicht â¦â
âJonas!â, rief Tori. âSpinnst du? Was machst du denn?â
âHier!â Jonas hielt ihr das Porträt direkt vor die Nase.
âDas ist doch â¦â, murmelte Tori verblüfft.
âGenauâ, sagte Jonas.
Auf dem Bild sah man Dr. Müller Arm in Arm mit einer hübschen, blonden Frau. Und vor ihnen stand Hannes.
Hannes
In Toris Kopf ratterten die Gedanken wie ein Hochgeschwindigkeitszug.
Hannes. Bei ihm liefen alle Fäden dieser Geschichte zusammen. Obwohl sie die Zusammenhänge immer noch nicht verstand.
âHannes ist Ihr Sohn?â, fragte Jonas Dr. Müller.
âJa. Kennst du ihn?â
âWir spielen zusammen FuÃball.â Jonas schüttelte fassungslos den Kopf. âHannes Müller. Natürlich. Der sieht Ihnen sogar ähnlich.â
âAch! Ich hatte doch die ganze Zeit das Gefühl, dass ich dich schon einmal gesehen habeâ, sagte Dr. Müller. âDu kickst also auch auf dem Bolzplatz hinter der Ranch?â
âDaher kennen Sie die Sunshine Ranch!â, kombinierte Tori.
Herr Müller nickte langsam. âDas stimmt. Ich fahr Hannes öfter zum Training. Und bei dieser Gelegenheit hab ich die trächtige Haflingerstute gesehen.â Er räusperte sich.
âWeià Hannes, dass Sie die Stute kaufen wollten?â, fragte Jonas.
âNatürlich nicht!â, rief Dr. Müller so laut, dass Heinrich erschrocken aufjaulte. âHannes liebt Tiere über allesâ, fuhr er mit leiserer Stimme fort. âUnd Pferde besonders. Er ist ganz verrückt nach ihnen. Als meine Frau noch lebte, hatten wir selbst zwei Araber. Aber nach ihrem Tod musste ich sie verkaufen, ich hatte ja keine Zeit, mich um die Tiere zu kümmern.â
âMoment malâ, sagte Jonas. âHannes liebt Tiere. Und Sie kaufen Tiere ein, die dann bei Tierversuchen gequält werden. Wie passt das denn zusammen?â
Dr. Müller biss sich auf die Lippen. âGar nicht.â Er schüttelte traurig den Kopf. âIch hatte früher eine ganz normale Tierarztpraxis. Ich behandelte Hunde, Katzen, Mäuse, Kaninchen, Hamster und so weiter, Haustiere eben. Aber als meine Frau starb, schaffte ich das nicht mehr. Als Tierarzt muss man ständig erreichbar sein für seine Patienten. Die fragen nicht nach der Uhrzeit.â
âWoran ist Ihre Frau denn gestorben?â, fragte Tori. âWenn ich das fragen darf.â
âSicher.â Dr. Müller nickte. âEin Unfall. Sie war mit dem Fahrrad unterwegs. Ein Raser hat sie übersehen und angefahren. Sie ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.â Dann schwieg er. Tori und Jonas schwiegen auch.
âTut mir leidâ, sagte Tori nach einer Weile.
âIch weiÃâ, erwiderte er mit traurigem Lächeln. âDanach wollte ich so viel wie möglich für Hannes da sein. Wir hatten uns ja nur noch gegenseitig, ich wollte ihn auf keinen Fall irgendwie vernachlässigen. Da hab ich die Praxis verkauft und die Stelle bei Schleyer angenommen.â
âWusste Hannes, dass Sie für Schleyer Testtiere einkaufen?â, fragte Jonas.
âNatürlich. Er ist kein Kind mehr, wir haben immer offen miteinander geredet.â Müller rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. âFrüher jedenfalls. Heute unterhalten wir uns so gut wie gar nicht mehr. Ich weià überhaupt nicht, was in dem Jungen vorgeht.â Er seufzte. âEr verachtet mich wegen meiner Arbeit.â
âHat er Ihnen das
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