Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
die meisten von uns werden irgendwann in einem Altenheim enden, wo uns nur Pfadfinderinnen und Zivildienstleistende Gesellschaft leisten. Ich nehme an, den Kinderlosen bleibt wenigstens erspart, eine bessere Behandlung von ihren Kindern zu erwarten.
Nicki Defago fasst dies in ihrem Buch folgendermaßen zusammen: »In einer grausamen Kehrtwende trifft echte Einsamkeit vor allem Mütter, die ihr ganzes Leben ihren Kindern gewidmet haben, ohne groß an sich selbst zu denken. Es ist eine Einsamkeit, die aus dem Gefühl resultiert, dass die erwachsenen Kinder zu Besuch kommen und man weiß, dass sie das nur aus Pflichtgefühl tun; dass sie von einem wegziehen – oder man an Weihnachten nicht mehr eingeladen wird. Babys sind süß duftende Bündel der Hoffnung und Nützlichkeit, aber sie bleiben das nicht für immer.«
Ich habe es selbst getan. Als ich von zu Hause wegzog, gab ich meiner Mutter 24 Stunden vorher Bescheid. In den ersten Wochen in der neuen Stadt konnte ich nicht verstehen, warum sie so bestürzt war und jedes Mal weinte, wenn ich mit ihr telefonierte.
Also, warum tun wir es? Warum bekommen wir Kinder, wenn es so ein schlechtes Geschäft ist? Die Leute sagen immer, wenn ihre Kinder sie ansehen und lächeln, sei es das alles wert. Aber kann ein Lächeln ein angemessener Ersatz für das Ausmaß der anhaltenden ›Verluste‹ sein? Ich könnte noch mehr Bücher über die Mutterschaft lesen, noch mehr wissenschaftliche und psychologische Fachzeitschriften durchforsten und jede Mutter ansprechen, der ich begegne, und nach ihren Erfahrungen fragen, und trotzdem würde ich keine klare und eindeutige Antwort erhalten. Früher oder später werde ich mich einfach damit abfinden müssen, dass die Mutterschaft verdammt hart ist und dauerhaft enorme Opfer abverlangt. Und, sehen wir den Tatsachen ins Auge, die Geschlechterungleichheit spielt dabei auch eine Rolle. Ich kann nur vermuten, dass, falls ich Mutter werde, es Tage geben wird, an denen mich ein einfaches Lächeln aufbaut, und andere Tage, an denen ich mich nach meiner Freiheit sehne, genervt bin und mich darüber ärgere, dass mein Leben sich viel stärker verändert hat als das von Chris.
Nach meiner ganzen Lektüre und Recherche schätze ich, dass es auf eine einzige Frage hinausläuft: Bin ich bereit, meine Träume und Pläne in all den Jahren, in denen ich ein Kind großziehe, zurückzustellen oder sie vielleicht sogar ganz zu opfern?
Welche Träume und Pläne habe ich? Ich bin mir nicht sicher, ob noch etwas auf meiner Muss-ich-tun-bevor-ich-sterbe-Liste steht, das ich nicht bereits ausprobiert habe oder das man nicht mit einem Baby machen oder um ein paar Jahrzehnte verschieben kann. Ich habe die Karriereleiter so hoch erklommen, wie ich musste, um meinen Ehrgeiz zu stillen; meine beruflichen Ziele habe ich alle abgehakt. Ich bin viel gereist. Sicher gibt es Orte, die ich noch nicht besucht habe, aber ich habe nicht das brennende Verlangen, sie zu sehen. Meine Wohnung ist so klein, dass man sich kaum umdrehen kann, aber obwohl es manchmal schön wäre, sich zu vergrößern, habe ich nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich das nicht tue.
Vor ein paar Monaten, als ich einem Kollegen anvertraute, dass ich meine Motivation verloren hätte und mein Leben und meine Arbeit mich langweilten, entgegnete er, wenn ich mein Leben schon mit Anfang dreißig langweilig fände, wie würde ich mich dann erst fühlen, wenn ich über fünfzig sei. Er fügte hinzu: »Wenn du Kinder hast, ist dein Leben nie langweilig.«
Obwohl ich inzwischen erkannt habe, dass das eine männliche Reaktion war und dass jede Mutter bestätigen wird, dass es tatsächlich langweilig sein kann, 24 Stunden am Tag Windeln zu wechseln, Lebensmittel zu pürieren, Wäsche zu waschen und Alle meine Entchen vorzusingen, verstehe ich dennoch, was mein Kollege damit ausdrücken wollte.
Als Emma anruft und fragt: »Wenn du keine Kinder bekommst, was wirst du dann machen?«, habe ich keine Antwort darauf. Wenn man mich mit Mitte zwanzig gefragt hat, wo ich mich in fünf Jahren sehe, konnte ich detailliert Auskunft geben. Zehn Jahre später sehe ich nur ein leeres Blatt, wenn ich in meine Zukunft blicke. Ist es falsch, ein Kind zu bekommen, bloß weil ich mir nichts anderes vorstellen kann? Bedeutet das, dass ich keine Fantasie oder keinen Ehrgeiz mehr habe?
Ich spüre wieder einen kleinen Schlag in meinem Babyschalter und sage mir, dass ich nicht aus Mangel an Vorstellungskraft und Ehrgeiz
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