Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
eine Kuh ist so erniedrigend, wie es klingt. Zu allem Überfluss bekomme ich außerdem eine Soorinfektion, die zwei Monate anhält. Die Wehenschmerzen sind nichts verglichen mit dem achtwöchigen Pilzbefall meiner Brust. Wehen sind eine Qual, aber sie gehen vorbei. Die Schmerzen beim Stillen sind einfach immer da. Und dann beginnt die Mastitis, eine Infektion durch einen blockierten Milchkanal. Das erste Mal bin ich so krank, dass ich ins Krankenhaus muss. Danach trage ich immer ein Antibiotikum in meiner Handtasche bei mir, damit ich sofort etwas unternehmen kann, wenn es wieder anfängt. Aber natürlich ist der Nebeneffekt des Antibiotikums eine weitere Soorinfektion.
Prinzipiell gefällt mir das Konzept des Stillens. Kann es etwas Intimeres geben? Aber meine persönliche Erfahrung ist das genaue Gegenteil. Ich sehe auf meine Uhr, und mir wird schlecht, weil es bald wieder Zeit ist zu stillen. Dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil das Stillen für die Bindung so wichtig sein soll. Ich sollte einfach kapitulieren und mir die Schmerzen und Qualen ersparen. Aber ich weiß, dass das Gefühl von Schuld und Versagen schlimmer sein wird als die Schmerzen beim Stillen. Ich habe so viele Schuldkomplexe bei der Vorstellung, aufzugeben, dass selbst der Beistand und die Gratulationen von anderen wie eine schwere Last auf meinen Schultern liegen. Als meine Mutter sagt, sie sei stolz auf mich, weil ich trotz aller Probleme weiterstille, interpretiere ich das so, dass sie sich schämen würde, wenn ich aufhörte.
Ich dachte, der gesellschaftliche Druck könnte mir nichts anhaben, aber ich habe nicht die Kraft, der ganzen Still-Propaganda und den Verbalprügeln standzuhalten, die nicht ausbleiben, wenn eine Mutter nicht stillen kann oder will. Mehrere Wochen lang sind meine Brustwarzen so wund, dass ich meine Kleine nicht anlegen kann, also pumpe ich Milch in die schreckliche Melkmaschine und gebe Violet das Fläschchen. Selbst so produziere ich nicht genug Milch, weshalb ich meistens mit Säuglingsmilch zufüttern muss. Immer wenn ich ihr das Fläschchen in der Öffentlichkeit gebe, habe ich das Gefühl, angestarrt und verurteilt zu werden. Ich bin mir sicher, dass ich überreagiere, meistens jedenfalls, aber, ich schwöre, einmal hörte ich eine Frau in mittlerem Alter zu einer anderen sagen: »Das Baby ist noch ein bisschen klein für die Flasche, findest du nicht auch?«
Die Erfahrungen anderer Mütter zu hören hilft mir nicht weiter. »Ich werde nie begreifen, wie Frauen so egoistisch sein können und nicht stillen, auch wenn ich einsehe, dass es ihre eigene Entscheidung ist«, schreibt eine Mutter in einer Elternzeitschrift. Wer braucht bei so einem ›Einsehen‹ noch Leute, die einen kritisieren? Eine Mutter egoistisch zu nennen ist sicher eine der schlimmsten Beleidigungen, die man ihr an den Kopf werfen kann. Mutter zu sein ist so schon schwer genug, auch ohne solche Leute, die einen treten, wenn man bereits am Boden liegt. Das Stillen zu üben ist eins der härtesten Dinge, die ich je in meinem Leben gemacht habe. Und der einzige Grund, warum ich es üben kann, ist, weil ich ein Team aus Leuten um mich habe, die mich unterstützen. In den ersten paar Wochen kümmert Chris sich um alles, während ich Tag und Nacht an der Milchpumpe hänge. Hat man keinen Partner, oder muss der Partner die ganze Zeit arbeiten, oder hat man noch weitere Kinder zu versorgen, oder hat man einen Job, oder was auch immer, wie schafft man das dann? Ich gehe auch zweimal in den Stillkurs, leiste mir privat eine Laktationsberatung und gebe ein Vermögen für eine Reihe von Arztbesuchen aus – darunter beim »weltweit führenden Experten für Brustentzündungen«. Stellen Sie sich vor, diese Bezeichnung steht auf Ihrer Visitenkarte …
Meine Bekannte Sonya versuchte es erst gar nicht mit dem Stillen. Für sie war es eine Frage der seelischen Gesundheit. Sie hatte eine IVF durchlaufen und war von der Erfahrung dermaßen traumatisiert, dass sie einfach ihren Körper zurückhaben musste. Ich habe großen Respekt vor Sonyas Charakterstärke. Sie musste von allen Seiten offene Kritik einstecken – von Hebammen, Freunden und Wildfremden –, aber sie knickte unter dem Druck nicht ein. Ihre Rechtfertigung lautete: »Glückliche Mutter, glückliches Baby.« Eigentlich sollte man Sonya beglückwünschen statt kritisieren und verachten, weil sie weiß, was das Beste für sie ist, und weil sie die Entschlossenheit besitzt, ihrem Instinkt zu
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