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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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man erwartet, wenn man eine Diskothek aufsucht. Sie brauchen mir jetzt nicht im Einzelnen zu schildern, was für eine Art Nikolausparty zweitausend Männer hier letzte Nacht gefeiert haben. Aber die Stelle, wo das tote Tier deponiert worden ist, ist wohl nicht zufällig ausgewählt worden. Könnten Sie uns sagen, was für ein Ort das ist?«
    »Nun ja«, begann er, »wir nennen das den Golden-Shower-Bereich, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Durchaus«, sagte Zollanger. »Es treffen sich dort Leute mit urophilen Neigungen. Und nach dem Geruch zu urteilen, war der Ort gestern auch gut besucht, oder?«
    Naeve zuckte mit den Schultern.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich meine, ja, natürlich werden Leute, die so etwas mögen, sich dort aufgehalten haben. Aber wir haben kein Personal abgestellt, das darüber Buch führt.«
    »Wann genau ist der Tierkadaver gefunden worden?«
    »Gegen halb neun. Die erste Putzschicht im Lab-Oratory beginnt um acht.«
    »Und Sie waren hier, als die Putzfrau Alarm schlug?«
    »Ja. Ich war hier im Büro. Seit etwa zwanzig Minuten.«
    »Wie hat die Putzfrau Sie alarmiert?«
    »Sie hat geschrien. Einer der Sicherheitsleute hat mich dann angerufen, und ich bin sofort runtergegangen.«
    »Die Tür zu dieser Kammer stand offen, und der Kadaver lag auf dem Boden?«
    »Nein. Die Tür war zu. Die Putzfrau wollte Putzmittel holen. Da lag das Ding vor ihren Füßen.«
    »Können Sie sich vorstellen, wie das Tier in die Kammer gekommen ist?«
    »Nein. Absolut nicht. Aber, wie gesagt, hier waren zweitausend Leute.«
    »Verkleidet. Als Nikoläuse. Mit Sack und Pack?«
    »Na ja, die meisten waren irgendwie verkleidet. Aber nicht unbedingt als Nikolaus.«
    Zollanger schaute zu Udo Brenner, der sich Notizen machte.
    »Wie viele Zugänge gibt es hier eigentlich?«, fragte Brenner.
    »Zwei«, sagte Naeve. »Der Haupteingang ist dort, wo Sie hereingekommen sind. Dann gibt es noch einen zweiten, über das Tanzwerk, das ist die Diskothek nebenan.«
    »Tanzwerk. Trieb-Werk. Gehört zusammen?«
    »Nein. Wir waren zuerst da. Aber die Gebäude sind verbunden, und wir haben nichts dagegen, wenn die Leute zirkulieren.«
    »Und zweimal Eintritt bezahlen.«
    »Klar. Es sind zwei getrennte Clubs.«
    »Wo ist dieser zweite Eingang?«
    »Im Lab-Oratory.«
    »Also nicht weit vom Fundort des Tierkadavers.«
    »Ja.«
    »Und wem gehört der ganze Laden?«, fragte Brenner.
    »Uns gehört nur das Konzept«, sagte Naeve. »Wir haben unseren Teil des Gebäudes von einer Immobiliengesellschaft gepachtet. Wem es gehört, weiß ich nicht.«
    Jemand klopfte an die Tür. Einer der beiden Streifenpolizisten steckte den Kopf herein. »Ich soll Ihnen sagen, dass Staatsanwalt Frieser eingetroffen ist.«
    »Danke. Wir kommen gleich.«
    Naeve erhob sich. »Ich werde natürlich mein Personal befragen, ob jemandem etwas aufgefallen ist.«
    »Das überlassen Sie lieber uns«, übernahm nun Zollanger wieder das Gespräch. «Ich muss leider weg, Mr. Naeve. Geben Sie meinem Kollegen bitte alles, was Sie an Besucherdaten für gestern Abend in Ihrem Computer haben. Außerdem die Namen und Kontaktdaten des Kassen- und Garderobenpersonals. Und ach ja, noch eine Sache: Wer hat eigentlich einen Schlüssel zu dieser Kammer?«
    Naeve verzog bekümmert das Gesicht.
    »Niemand«, sagte er. »Das Schloss ist kaputt.«
    »Seit wann?«
    »Seit einiger Zeit. Wir wollten es längst reparieren lassen, aber wie es manchmal eben so ist. Und ich meine … Putzmittel. Wen interessiert das?«
     
    Jochen Frieser hatte bereits entschieden. Als Zollanger zum Fundort des Kadavers zurückkehrte, war dieser verschwunden. Auch Dr. Weyrich und sein Team waren nicht mehr da. Findeisen und Brodt standen gebückt in dem engen Raum unter dem Pissoir und sicherten Spuren. Findeisen fixierte Fingerabdrücke an der Kammertür. Brodt leuchtete mit einer Schwarzlichtlampe den Boden ab.
    Staatsanwalt Frieser war im Gespräch mit Sina Haas. Er stand mit verschränkten Armen da und nickte ununterbrochen zu allem, was Sina ihm berichtete. Dabei schwankte sein Oberkörper leicht, als rollten die schweren Gedanken, die ihn sicherlich beschäftigten, in ihm hin und her. Zollanger fand, dass der Mann aus der Ferne immer wie ein dürrer Vogel aussah. Das Profil und die ungewöhnliche Körperhaltung waren wohl dafür verantwortlich. Zollanger wusste nicht viel über ihn. Frieser war Anfang vierzig, hatte zwei Töchter im Grundschulalter, stammte aus dem Sauerland und war CDU

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