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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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beobachtete, wie die Anwältin ein kleines weißes Kuvert hervorholte. Dann blitzte ein silbrig glänzender Datenträger in ihrer Hand auf. Elin beugte sich erneut zu der Anwältin hin und redete leise auf sie ein.
    Vera Kornmüller schaute sich unsicher um. Aber noch monopolisierte Staatsanwalt Frieser die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Lediglich Mirat hatte sich kurz ablenken lassen, schaute nun aber schon wieder zu Frieser hin, der soeben bei der Liste der anzuwendenden Strafvorschriften angekommen war.
    Vera Kornmüller legte diskret den Datenträger in ihren Computer ein und wartete. Elins Gesicht hatte sich völlig verändert. Sie starrte auf den Bildschirm. Rote Flecke breiteten sich auf ihrem blassen Gesicht aus. Jetzt fiel auch dem Vorsitzenden die Veränderung an Elin auf. Er blickte irritiert zu Vera Kornmüller hin, die indessen wie gebannt den Computer fixierte.
    Staatsanwalt Frieser kam nicht umhin zu bemerken, dass irgendetwas nicht stimmte. Er blickte zu seiner Kontrahentin, aber die hatte noch immer ihren Laptop im Blick. Frieser stockte kurz und sprach dann weiter. Doch jetzt erhob sich Vera Kornmüller abrupt. Sie griff nach dem Gerät vor ihr auf dem Tisch und begab sich ohne ein weiteres Wort an den Tisch des Vorsitzes. Frieser verstummte mitten im Satz und schaute ihr erbost hinterher.
    »Frau Dr. Kornmüller«, herrschte der Vorsitzende sie an. »Dürfte ich erfahren, was Ihnen …!«
    Sie erwiderte zunächst nichts, sondern stellte lediglich das Gerät vor ihn hin, so dass er den Bildschirm gut sehen konnte. Dann sagte sie: »Ich beantrage die sofortige Vorführung der mir soeben zugestellten Video-Zeugenaussage eines Tatbeteiligten. Wesentliche Behauptungen der Anklage zum Tatgeschehen widersprechen offenbar völlig den Tatsachen.«
    Frieser war mittlerweile neben Vera Kornmüller getreten und verrenkte den Hals, um einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen. Und was er da sah, war schlechterdings unmöglich: Neben einem Fernsehgerät, auf dem die Tagesschau vom 27. Januar lief, saß Martin Zollanger und sprach in eine Kamera.
    Vera Kornmüller nutzte die totale Verwirrung aus und drückte auf einen Knopf auf ihrem Laptop. Im nächsten Moment war klar und deutlich Zollangers Stimme zu hören.
    »… der Deutsche Aktienindex schloss heute bei 2643,80 der Dow Jones bei 7989,56 Punkten. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese beiden Indizes vorausgesagt werden oder zufällig erneut bei diesen Werten stehen könnten, geht gegen null, was ausreichend belegen sollte, dass ich am Leben bin.«
    Niemand im Saal rührte sich. Sina vermochte kaum zu atmen. Udo Brenner starrte sie an und hatte das Gesicht verzogen, als leide er körperliche Schmerzen. Manche der Journalisten, die erst vor wenigen Minuten eingetroffen waren, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Immer wieder schauten sie neugierig zu Elin hin. Einer von ihnen versuchte, mit Elins Vater ins Gespräch zu kommen, aber der schüttelte nur energisch den Kopf, blickte verwirrt den Vorsitzenden an und versuchte zu begreifen, was sich dort vorne gerade abspielte.
    Frieser stand mit eisiger Miene da und schwieg. Allein Elins Gesichtsausdruck wirkte gelöst. Aber was sie wirklich dachte oder fühlte, war ihr nicht anzusehen. Steif und unnahbar saß sie da und lauschte mit halb geschlossenen Augen der Stimme, die wie aus dem Jenseits zu kommen schien.
    »Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte«, drangen Zollangers Worte zwar blechern, aber gut hörbar aus den Lautsprechern des Laptops und erfüllten den Saal. »Ich stehe unter keinerlei Zwang und mache diese Zeugenaussage aus freien Stücken. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Elin Hilger Anklage wegen Mordes erhoben. Hierzu erkläre ich: Ich, Martin Zollanger, habe die der Angeklagten zur Last gelegte Tat begangen. Ich, Martin Zollanger, ehemals Hauptkommissar der siebten Berliner Mordkommission, habe am späten Dienstagabend des 11. Dezember letzten Jahres in Berlin-Reinickendorf Aivars Ozols mit einer Steinschleuder, die ich zuvor der Angeklagten abgenommen habe, vorsätzlich getötet. Die Angeklagte hatte von meiner Tötungsabsicht keinerlei Kenntnis. Sie hat diese weder billigend in Kauf genommen noch sich in irgendeiner anderen Weise schuldhaft verhalten. Elin Hilger war zu keiner Zeit über die wirklichen Vorgänge informiert, die zu dieser Konfrontation geführt haben. Sie ist nur durch eine Verkettung unvorhersehbarer Umstände in eine Auseinandersetzung hineingezogen worden,

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