Torso
-Parteimitglied. Es gab also keinerlei Berührungspunkte zwischen ihnen, und das Einzige, was Zollanger an ihm interessiert hätte, war die BRD -Region mit dem seltsamen Namen, von der Zollanger nicht einmal wusste, wo sie sich befand. Danach würde er ihn vielleicht einmal fragen.
»Ich habe Weyrich gebeten, gleich alles mitzunehmen«, sagte Frieser. »Die aussagekräftigsten Spuren sind mit Sicherheit an dem Tier zu finden und nicht dort unten. Das kann er im Institut besser untersuchen als hier. Außerdem sollten wir schleunigst wissen, ob der Arm zu dem Torso in Lichtenberg gehört. Es ist ja wohl ein weiblicher Arm, oder?«
Sina Haas antwortete.
»Es ist ein linker Arm. Und Dr. Weyrich meint, es könne gut sein, dass er von dem Torso in Lichtenberg stammt.«
Es war merkwürdig, dachte Zollanger. Die Frau, das Opfer, ihr vermutliches Martyrium – es begann bereits Teil einer abstrakten Welt zu werden. Teil eines gedanklichen Puzzlespiels, einer kranken Logik, der sie auf die Spur kommen mussten.
»Was sagt der Besitzer des Clubs. Irgendwelche Hinweise?«
»Wie es aussieht, ist der Kadaver letzte Nacht hier deponiert worden«, sagte Zollanger. »Andernfalls wäre er ja schon gestern beim Putzen gefunden worden. Heute Nacht waren zweitausend Leute hier, eine Art Kostümfest. Die Auswahl der Verdächtigen ist somit recht groß.«
»Wir haben also eine Ziege in Lichtenberg und ein Lamm in Tempelhof. Kollegin Haas ist zuversichtlich, dass das weitergehen könnte.«
»Darauf müssen wir uns wahrscheinlich einstellen. Aber ich werde keinesfalls darauf warten.«
»Und wie wollen Sie vorgehen? Welche Richtung?«
Zollanger zuckte mit den Schultern.
»Das Opfer ist eine Frau«, antwortete er zögerlich. »Aber nach einem Sexualmord sieht das Ganze nicht gerade aus. Die Inszenierung mit den Tieren ist merkwürdig. Es schmeckt nach Drogenhandel, Mafia, organisiertem Verbrechen. Vielleicht eine Hinrichtung mit Symbolcharakter? Oder fanatische Vegetarier? Oder nur ein geschmackloser Streich von ein paar durchgeknallten Medizinstudenten. Oder Anhängern eines bisher unbekannten Voodoo-Kultes …«
»Danke, Herr Zollanger«, schnitt Frieser ihm das Wort ab. »Ich sehe, Sie haben schon eine ganze Menge vielversprechender Ideen.«
Zollanger behielt seine weiteren Gedanken für sich. Was wollte der Mann denn hören. Die ganze Situation war ihm zuwider. Er ertrug das alles nicht mehr, weder die Gewalttätigkeiten, mit denen er durch die Arbeit ständig konfrontiert wurde, noch die Greuel, die einem beim Frühstück aus der Zeitung ins Gesicht sprangen. Und dazu noch die allgemeine Obszönität überall. Bis vor ein paar Stunden hatten in dieser alten Fabrikhalle zweieinhalbtausend Männer »Nikolaus« gefeiert, unter anderem in diesem nach Urin stinkenden Loch dort unten. Worüber sollte man sich eigentlich noch wundern?
Frieser erwartete offenbar weiterhin eine Antwort auf seine ursprüngliche Frage.
»Vermutlich doch ein Sexualdelikt«, sagte Zollanger.
Das stimmte irgendwie immer.
[home]
8
K ommst du mit zu Wiebke?«, fragte Sina Haas. Sie stand in der Tür, bereits im Mantel.
»Ja. Gern. Kommt Udo auch?«
»Nein. Er mag keine Kohlrouladen.«
Zollanger mochte sie auch nicht besonders. Er hatte gar keinen Hunger. Aber Sinas Meinung zu den Funden interessierte ihn. Sie waren ins Büro gefahren und hatten sich erst einmal alle an ihre Schreibtische zurückgezogen, mit Ausnahme von Brodt und Findeisen, die noch eine Weile vor Ort zu tun haben würden. Weyrich hatte die Obduktionskonferenz auf siebzehn Uhr anberaumt. Sie hatten also Zeit, zu Mittag zu essen, wenn schon das Frühstück ausgefallen war.
Sie verließen das Gebäude und gingen die paar Schritte zu »Wiebkes Versteck«. Das Lokal lag schräg gegenüber in der gleichen Straße. Das Tagesgericht kostete kaum mehr als ein Hamburger. Das Mobiliar erinnerte Zollanger an das untergegangene Land, aus dem er stammte. Das dunkle Eichenholz, die gestickten Tischdecken, die karierten Sitzkissen auf den Eckbänken, die Gardinen. In Leipziger Gaststätten hatte es in den achtziger Jahren auch nicht viel anders ausgesehen.
Obwohl es schon nach drei war, bekamen sie anstandslos ihr warmes Tellergericht. Wiebke sagte wie immer nicht viel, stellte die Teller vor sie hin und verschwand hinter ihren Tresen.
»Und?«, sagte Zollanger. »Was meinst du?«
»Die Verknüpfung ist seltsam.«
»Tier und Mensch?«
»Ja. Das auch. Aber das meine ich nicht. Ich meine die
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