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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Powertraining unbeschadet hervor. Gegen die kühle, blassgrüne Irisfärbung, die sie anstelle der braunen Augen ihrer Mutter von ihrem Vater geerbt hatte, war schon gar nichts zu machen. Der Gesamteindruck von Inga war der einer Zwanzigjährigen, bei der überall bereits die Vierzigjährige durchschimmerte, wobei sich allerdings die Frage stellte, ob das nicht auch an ihrem Lebensstil lag. Inga berechnete ihr Jahresbudget nicht. Die Kosten für ihre Penthouse-Wohnung, ihren MINI Cabrio und ihre laufenden Ausgaben ganz allgemein kannte sie nur vage. Ebensowenig wie ihre Mutter wusste sie, was mit Hilfe der diversen Karten, mit denen sie ihre Einkäufe tätigte, am Monatsende vom Konto abgebucht wurde. Irgendwie ging das alles zu einem Steuerberater, der daraus Betriebskosten für eine von Hans-Joachim Zietens zahlreiche Firmen machte.
    If you wanna be with me, baby there’s a price to pay,
sang Christina Aguilera gerade, als Inga auf ihren Parkplatz rollte. Sie stoppte kurz vor dem an die Hauswand geschraubten Nummernschild, schaltete den Motor aus, zog den Zündschlüssel ab und öffnete die Tür. Sie schaute sich kurz in der Tiefgarage um, registrierte die gut beleuchtete Fahrstuhltür in etwa zehn Metern Entfernung und die kleine rote Zahl darüber, die anzeigte, dass der Fahrstuhl sich gerade im neunten Stock befand. Sie brauchte sich also nicht zu beeilen. Sie schloss die Fahrertür, trat ans Heck des Wagens und öffnete den Kofferraum. Ihre Sporttasche lag da. Christina Aguilera sang:
I’m a genie in a bottle baby, you gotta rub me the right way honey.
    Und dann spürte sie etwas. Einen Luftzug in ihrem Rücken. Daher drehte sie sich um, anstatt nach ihrer Tasche zu greifen. Und was sie da sah, war sehr merkwürdig. Da kam jemand auf sie zu. Ein Mönch? Oder so etwas Ähnliches. Der Mann trug jedenfalls eine schwarze Kutte, wie sie sie von Mönchen oder Priestern kannte. Seine Hände steckten in seinen Ärmeln. Wollte er sie etwas fragen? Inga richtete sich auf und begann damit, die Kopfhörer aus ihren Ohren herauszuziehen.
Hormones racing at the speed of light …,
hörte sie noch. Dann stand der Mann direkt vor ihr, lächelte sie an und presste plötzlich etwas Kaltes und Feuchtes auf ihr Gesicht. Inga rutschte nach hinten, schlug mit dem Hinterkopf gegen die geöffnete Hecktür, begriff schlagartig, dass sie gerade überfallen wurde, versuchte ihre Arme zu heben, spürte dabei, dass irgendetwas mit ihrem Körper nicht mehr funktionierte, hatte plötzlich keinerlei Kontrolle mehr über ihre Beine, sackte zusammen und fiel in ein schwarzes Loch.

[home]
17
    W ir sind uns auf der CEBIT begegnet«, erzählte Alexandra. »Am 24. März.«
    Elin schrieb sich das Datum auf. Die junge Frau schaute auf den Tisch und schnippte ihre Asche in den Aschenbecher. Sie saßen im ersten Stock des Schwarzen Cafés. Alexandra hatte den Treffpunkt vorgeschlagen. Ihr Hotel lag um die Ecke. Um zwölf hatte sie einen Termin bei der Vertretung der Europäischen Kommission, deren Büro nicht weit entfernt von hier lag. Sie hatten also knapp eine Stunde.
    Elin hatte die junge Frau sofort erkannt. Sie sah genauso aus wie bei der Beerdigung vor sechs Wochen. Helle Haut, dunkle Augen, rabenschwarze Haare hinten hochgesteckt. Erics letzte Eroberung. Oder doch etwas mehr? Sie war Elin schon bei der Beerdigung aufgefallen, weil sie sich so markant vom Typ Jule und den üblichen Tussen unterschied, die Eric normalerweise angeschleppt hatte. Sie hatte sogar erwogen, sie anzusprechen. Aber Alexandra war noch vor dem Ende der Trauerfeier verschwunden. Im Kondolenzbuch hatte sie nur zwei Wörter hinterlassen.
Warum? Alexandra.
    »Du hast vermutlich unsere E-Mails gelesen, oder?«
    »Ich musste herausfinden, wer Alexandra ist.«
    »Dann weißt du ja alles.«
    »Ich wollte deine Adresse«, sagte Elin. »Und ich weiß gar nichts. Nur eines: Eric hat sich nicht das Leben genommen.«
    Alexandra schaute sie lange an, bevor sie etwas erwiderte.
    »Wenn du recht hättest, müsstest du mit der Polizei sprechen und nicht mit mir.«
    »Die Polizei sieht keinen Grund dafür, Fragen zu stellen. Deshalb stelle ich sie.«
    Alexandra ergriff Elins Hand und entwand ihr sanft den Kugelschreiber.
    »Ich weiß nicht, in was für Geschichten dein Bruder verwickelt war. Und ich will auch in nichts davon hineingezogen werden. Okay?«
    Elin klappte ihren Notizblock zu. Alexandra gab ihr den Kugelschreiber zurück.
    »Was für Geschichten?«, wollte Elin

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