Torso
mit einer raschen Bewegung über den Tisch. Elin wollte danach greifen, aber Alexandra ließ ihre Hand noch darauf liegen.
»Ich will damit nichts zu tun haben, verstehst du?«, sagte sie. »Ich habe den Umschlag erst vor ein paar Tagen gefunden. Beim Packen. Ich habe keine Ahnung, warum er ihn bei mir versteckt hat.«
Elin wartete. Ihr Herz schlug schneller. Es war ein brauner, völlig gewöhnlicher wattierter DIN -A6-Umschlag. Bis auf ein Detail. Im Absenderfeld war ein Firmenaufdruck zu sehen. Elin konnte nur die erste Zeile lesen, aber das reichte ihr schon.
»Ohne diesen Umschlag würden wir beide nicht hier sitzen. Ich hätte dir gar nicht gesagt, dass ich nach Berlin komme. Und ich gebe ihn dir nur unter einer Bedingung: Du sagst niemandem, woher du ihn hast, okay?«
Elin nickte stumm. Alexandra zog langsam ihre Hand zurück. Elin nahm den Umschlag an sich.
Er war geöffnet und dann mit einem Klebestreifen wieder verschlossen worden.
»Er steckte zwischen meinen Büchern«, erklärte Alexandra. »Weiß der Himmel, warum er ihn dort deponiert hat.«
Elin riss den Klebestreifen ab und griff hinein. Zum Vorschein kam eine kleine Plastikhülle, in der drei SIM -Karten steckten. Sie starrte die kleinen Plastikchips ratlos an. Dann hob sie den Blick und fixierte Alexandra. Die war bereits aufgestanden.
»Ich bezahle unten«, sagte sie. »Alles Gute.«
Elin blieb sitzen. Nach einer Weile schob sie die Plastikhülle mit den Karten in den Umschlag zurück und verschloss ihn wieder. Den Firmenaufdruck im Absenderfeld kannte sie längst auswendig.
Berlin Investment GmbH. BIG . Kurfürstendamm 76.
Erics alte Firma.
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18
S ie haben das Tier also nicht angefasst?«, fragte Zollanger und wartete, bis der Dolmetscher übersetzt hatte. Es war einfach mühselig, diese Befragungen mit Dolmetscher. Und was sollte die Putzfrau schon bemerkt haben? Aber irgendwo mussten sie ja anfangen. Der armen Frau stand der Angstschweiß auf der Stirn. Offenbar hatte sie noch immer nicht begriffen, dass sie überhaupt keiner Straftat verdächtigt wurde, sondern lediglich mithelfen sollte, eine aufzuklären.
In Lichtenberg hatte sich trotz erneuter intensiver Befragung in der Nachbarschaft kein einziger verwertbarer Zeuge auftreiben lassen. In Tempelhof standen sie vor dem umgekehrten Problem. Die Liste der Online-Buchungen für die »Bad Santa Party« war mittlerweile eingegangen, neunhundertdreiundsiebzig an der Zahl. Aber was sollten sie damit machen? Sollten sie Jean-Pierre Fontaine aus Toulouse und Günther Henlein aus Duisburg vorladen und fragen, ob sie bei ihrem Berlinbesuch ein totes Lamm im Gepäck gehabt hatten? Nach welchem Muster sollten sie die Liste der Namen durchgehen? Und was war mit den tausend anderen, die im Vorverkauf oder an der Abendkasse bar bezahlt hatten? War der Täter nicht wahrscheinlicher in dieser Gruppe zu finden?
Udo Brenner befragte im Nebenraum schon den ganzen Morgen über die Angestellten und das Sicherheitspersonal des Trieb-Werks, ohne dass sich irgendetwas Konkretes dabei ergeben hätte. Ein ganz normaler Abend sei es gewesen. Nein, niemand habe auffällig viel Gepäck dabeigehabt und wenn, dann nur das Übliche: Masken, Ketten, Lederkram.
Als Zollanger gegen vierzehn Uhr bei Staatsanwalt Frieser anrief, hatte er ihm daher auch kaum Neuigkeiten zu berichten.
»Sie haben also noch immer keine klare Richtung?«
»Nein.«
»Das heißt also, entweder wir haben Pech, und es bleibt, wie es ist, oder wir haben Pech, und es passiert noch etwas.«
»Ja. So würde ich es auch ausdrücken.«
»Und wie würden Sie es beschreiben, wenn wir ein wenig Glück hätten?«, fragte Frieser.
»Vielleicht finden wir in der Gästeliste des Trieb-Werks einen Schafhirten«, schlug Zollanger vor. »Wobei ich bezweifle, dass Schafhirten ihre Clubtickets online buchen. Aber wer weiß. Variante zwei: Wir arrangieren uns mit der Abteilung 21 des Landeskriminalamts, und ich kann Krawczik und Draeger nach Friedrichshain schicken, um einen Verdächtigen oder einen möglichen Zeugen einzusammeln.«
»Was sagen Sie da?«
»Die Telekom hat heute Morgen die Handydaten der Funkzelle geliefert, wo die Abrissplatte steht«, erklärte Zollanger. »In der fraglichen Zeit ist dort mehrmals telefoniert worden. Und zwar …«, er fischte den Ausdruck aus seinen Unterlagen, »… um 22:24 Uhr und um 23:03 Uhr. Die Verbindungen dauerten stets nur ein paar Sekunden, sind aber bereits zugeordnet. Wir haben die drei
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