Torso
schaute sich nach einer Parkbank um, sah jedoch keine. Die einzige Sitzgelegenheit, die sie ausmachen konnte, war ein dunkelgrüner Behälter, der zusammenhanglos zwischen zwei neu angepflanzten Birken herumstand.
Streugut
war darauf zu lesen. Die Oberfläche war trocken. Sie streifte ihren Rucksack ab und setzte sich.
Den Eingang von Nummer 11 hatte man von hier gut im Blick. Sie wartete. Sie hatte keine Ahnung, wie Hauptkommissar Zollanger aussah. Aber gewiss nicht so wie die Figuren, die innerhalb der ersten Stunden das Wohnhaus verließen. Der erste Kandidat, der eventuell in Frage kam, war ein Mann, der gegen halb zwölf in der Tür erschien. Er trug dunkelblaue Cordhosen und feste Schuhe, einen beigefarbenen Wollpullover und einen dunkelgrünen Parka mit einer Menge Taschen. Er war nicht sehr groß, vielleicht einen Meter siebzig. Sein Gesicht konnte sie aus der Entfernung nicht gut erkennen. Er trug zu seinem schwarzen Schal eine entsprechende Mütze, und so konnte sie nicht sehen, ob er noch Haare hatte oder eine Glatze. Auf jeden Fall musste er schon etwas älter sein. In jeder Hand trug er eine Tüte, ging auf die Tonnen neben der Einfahrt zu und versenkte die eine in dem blauen, die andere in dem schwarzen Behälter. Dann band er sich den Schal fester um, zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch und ging weiter.
Elin rutschte von der Streusandkiste herunter und folgte ihm in einigem Abstand. Als sie sah, dass der Mann auf einen Pfad abbog, der in den Park hinter dem Haus führte, beschleunigte sie ihren Schritt und schloss langsam zu ihm auf. Es bereitete ihr keine Mühe. Der Mann ging nicht schnell. Offenbar hatte er ein Problem mit dem linken Bein. Als sie näher herangekommen war, sah sie ein paar graue Haarbüschel unter seiner schwarzen Mütze herausragen. Sie verlangsamte ihren Schritt und blieb dann stehen. Nein. Das war wohl nicht ihr Mann, sondern irgendein Rentner. Der Mann blieb plötzlich stehen und drehte sich nach ihr um. Als sie sein Gesicht sah, ging sie auf ihn zu. So alt war er auch wieder nicht. Aber wie ein Polizist sah der Mann nicht aus, dachte sie.
Die Situation war zu weit gediehen. Der Mann hatte offenbar gespürt, dass sie ihm gefolgt war. Sie musste etwas sagen, sonst hätte es merkwürdig gewirkt.
»Herr Zollanger?«, sagte sie.
Er blinzelte nur.
Elin war drei Meter von ihm entfernt stehen geblieben. Sie schaute ihn stumm an. Der Mann war offenbar ebenso verblüfft wie sie. Er hielt den Kopf merkwürdig schief, als habe er etwas gehört und nicht richtig verstanden.
»Ah«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Sie sind Elin Hilger.«
Sie zuckte mit den Schultern. Sie wusste plötzlich nicht mehr, was sie erwidern sollte.
»Ich gehe gerade frühstücken. Kommen Sie mit?«
Er hatte gar nicht auf eine Antwort gewartet, sondern war einfach weitergegangen. Und sie war ihm gefolgt. Zollanger strebte auf einen Flachbau zu, hinter dessen großen Fensterscheiben ein Bistro zu sehen war. »Akademie der Künste« stand in großen Lettern auf dem Vordach.
Zollanger setzte sich an einen Tisch am Fenster und lud Elin mit einer Geste ein, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Dann bestellte er zweimal Milchkaffee.
»Ich trinke keinen Kaffee«, sagte sie.
»Tee?«
Sie nickte.
»Bitte Tee für die Dame.«
»Ich frühstücke sonntags immer hier«, sagte er. »Kennen Sie die Akademie der Künste? Es gibt immer ein italienisches Frühstücksbüffet.«
»Nein«, antwortete Elin. »Ich komme aus Hamburg. Und bitte, gehen Sie nur ans Büffet. Ich habe schon gefrühstückt.«
Sie blieb sitzen, während Zollanger sich bediente. Sie hatte keinen Hunger. Sie hatte zwei Stunden zuvor Müsli mit Apfelschnitzen gegessen. Also nippte sie nur an dem Tee, der dampfend vor ihr stand, und beobachtete den Kommissar.
»Es tut mir leid, dass Sie mich am Freitag verpasst haben«, sagte er, als er wieder am Tisch saß. »Ich halte meine Termine normalerweise ein. Aber es war nicht meine Schuld. Ein Einsatz. Verstehen Sie? Also, was kann ich für Sie tun? Es geht um Ihren Bruder, nicht wahr?«
Sie öffnete ihren Rucksack, holte eine blaue Plastikmappe heraus und legte sie auf den Tisch.
»Mein Bruder ist ermordet worden. Ich will, dass die Ermittlungen neu aufgenommen werden. Bin ich da bei Ihnen an der richtigen Adresse?«
Zollanger schnitt eine Mozzarellascheibe entzwei, legte ein Basilikumblatt darüber und träufelte ein wenig Olivenöl darauf.
»Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, Frau
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