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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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hinabfallen, der nicht in physische, sondern in psychische Sedimente führte, in tiefliegende Schichten sexueller Gier. Merkwürdig war nur, wie unaufgeregt das alles vonstatten ging. Ja, es dauerte eine ganze Weile, bis Zollanger begriff, was ihn am meisten frappierte: Es war die Lockerheit hinter der martialischen Fassade.
    Vor ihm auf einer Sitzgruppe, die den Eingangsbereich von der Garderobentheke trennte, saßen zwei Männer in eindeutiger Weise aufeinander und unterhielten sich mit einem eben erst eingetroffenen Dritten, der noch Klamotten aus der Oberwelt trug. Kopulieren und Konversation, dachte Zollanger befremdet. Gleichzeitig. Es wäre ihm im Traum nicht eingefallen, aber so wie es hier geschah, wirkte es auch nicht besonders schockierend. Ja, das war das eigentlich Merkwürdige. Schon nach wenigen Minuten in dieser bizarren Halle machte das alles einen eher banalen Eindruck. Es lag keine Spannung in der Luft. Nur eine gelöste, fast beiläufige Körperlichkeit, die es nicht eilig hatte.
    Der Mann mit der Gasmaske erregte wieder Zollangers Aufmerksamkeit. Ein Mann in grünen Militärhosen war vor ihn hingetreten. Zollanger sah seinen nackten Oberkörper nur von hinten. Er war ebenfalls gut trainiert, aber korpulent. Sein Kopf war rasiert, sein Rücken über und über tätowiert. Er trug irgendeine Lederkordel mit sich herum. Im nächsten Moment erkannte Zollanger, dass es eine Hundeleine war. Er hakte sie am Korsett des Gasmaskenmannes fest und führte ihn ab. Herr und Hund steuerten auf die Haupthalle zu.
    Zollanger folgte ihnen, blieb aber zurück, als die beiden in einem der Stofftunnel verschwanden. Er zwängte sich durch die Leiber zur Bar, spürte jedoch plötzlich das Vibrieren seines Handys. Es war eine SMS von Sina.
    Wo bist du?
     
    Haupthalle Bar, textete er zurück
     
    Und du?
     
    Lab-Oratory. Fundort Torso II . Komm her.
     
    O.k.
    Er verzichtete auf ein Bier und machte sich auf den Weg. Er spürte die Bässe der dröhnenden Musik wie wuchtige Schläge. Wieder streifte er verschwitzte nackte Oberkörper. Hin und wieder erntete er Blicke, die auffordernd oder interessiert wirkten, aber er erwiderte sie nicht und wurde auch in Ruhe gelassen. Alles ganz entspannt.
    Er brauchte fast fünf Minuten, bis er die Haupthalle durchquert hatte und den an die Wand gesprühten Lab-Oratory-Richtungsanzeiger erreicht hatte. Von einem Moment zum anderen schlug die Stimmung um. War es die relative Ruhe, die hier herrschte? Kleine Gruppen von Männern standen beieinander. Zollanger ignorierte so gut er konnte, womit sie beschäftigt waren, und versuchte, den Weg zu der Nische wiederzufinden, in der sie vor ein paar Tagen den Kadaver entdeckt hatten. Aber die Dekoration war verändert worden. Unvermittelt fand er sich in einem Raum wieder, an den er sich nicht erinnern konnte. Es herrschte völlige Dunkelheit. Aber er spürte, dass er nicht allein war. Allmählich passten sich seine Augen an, und er erkannte Schemen. Vereinzelt hörte er Geräusche, ein Schaben, den Klang einer Gürtelschnalle.
    Er kehrte um, gelangte auf den Gang hinaus und entdeckte endlich die Nische, die er eigentlich gesucht hatte. Zwei Schritte weiter, und er stieß auf Sina. Sie stand an der Wand und wies ihn mimisch an, weiterzugehen und selbst nachzusehen. Er sah, dass drei Männer in dem Metallhäuschen standen. Sie rauchten und unterhielten sich leise. Zollanger ging auf sie zu. Sie beachteten ihn nicht. Er trat auf das Gitter und schaute nach unten. Zwei Männer lagen dort. Sie waren nackt und eindringlich miteinander beschäftigt. Der nasse Steinboden unter ihnen glänzte. Zollanger atmete flach. Dann machte er kehrt und ging zu Sina zurück. Er nahm sie am Arm und führte sie in den Hauptgang hinaus.
    »Warst du schon drüben, bei den garstigen Tanten?«, wollte er wissen.
    Sie nickte. »Ja, kurz.«
    »Und? Gibt es da wesentlich anderes zu besichtigen als hier?«
    »Nein. Frauen eben«, sagte sie. »Ähnliche Verkleidung, aber weniger SM . Insgesamt vielleicht etwas ruhiger.«
    »Bilde ich es mir ein, oder kennst du dich mit diesen Partys aus?«
    »Nein. Ist mein erstes Mal. Aber man hört ja davon.«
    Zollanger zuckte zusammen.
    »Was ist?«, fragte Sina.
    Er zog sein Handy aus der Tasche und schaute auf das Display.
    »Udo«, sagte er und starrte konsterniert auf den kleinen Bildschirm, der in der Dunkelheit blau leuchtete. »Wir sollen sofort kommen. Notruf aus der Zentrale.«
    »Was ist denn los?«
    »Es sieht so aus, als

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