Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
Vom Netzwerk:
mit ihm? Wurde er manipuliert? Ein Szenario ging ihm plötzlich durch den Kopf. Inga konnte überall sein. Mit einem originellen Trick konnte man ein junges Mädchen leicht für ein oder zwei Tage »entführen«, wenn der »Entführer« nur gut genug aussah.
    Eines war sicher: Wenn über die Phoenix-Vorlage jetzt etwas durchsickerte, gäbe es einen politischen Flächenbrand. Es wäre die Kernschmelze. Alle Beteiligten wussten das. Zieten ging die Kandidaten im Geiste rasch nacheinander durch. War einer der sieben von gestern morgen ein Zündler? Nein. Er kannte ihre Interessenlage sehr genau. Ihr politisches Schicksal war auf Gedeih und Verderb mit dieser ganzen Sache verwoben. Und sein eigenes erst recht.
    »Jochen, ich brauche Zeit. Du darfst die Polizei noch nicht über diesen Zusammenhang informieren. Verstehst du? Es steht zu viel auf dem Spiel.«
    »Auf dem Spiel? Wovon redest du? Es geht unter anderem um deine Tochter!«
    »Ja. Ich weiß. Und nimm das bitte als Maß meiner Einschätzung der Gefährlichkeit der Situation. Es geht um sehr viel. Wenn ihr …«, er korrigierte sich, »wenn wir einen Fehler machen, gibt es eine Katastrophe.«
    Jochen Frieser fand keine Worte. Zieten spürte, dass der Staatsanwalt um Fassung rang.
    »Verstehe ich dich richtig«, sagte er kühl. »Du willst, dass ich Ermittlungen …«
    »Ich will, dass du genau abwägst, Jochen. Dass du mit mir überlegst, bevor du handelst. Vor allem will ich, dass du nichts überstürzt. Du hast eben gesagt, ihr hättet in den letzten Tagen drei solcher Vorfälle gehabt?«
    »Ja«, antwortete Frieser ungeduldig. »Drei Frankensteinfiguren. Körperteile von Tieren und Menschen, zu grotesken Gebilden zusammengeschnürt.«
    »Wo?«
    Frieser zögerte. Aber dann nannte er die Fundorte.
    »Also geht es tatsächlich gegen uns«, sagte Zieten.
    »Das musst du mir jetzt aber bitte erklären«, erwiderte Frieser.
    »Siegfried- und Borsigstraße. Das sind Fonds-Objekte von uns. Die Platte in Lichtenberg und das alte Umspannwerk sind beide in einem Fonds-Portfolio der BIG . Leider. Wegen solcher Engagements ist die Gesellschaft ja seit Herbst in Konkurs. Die BIG hat eine Menge Geld in den Sand gesetzt. Wie viel Geld, weiß glücklicherweise niemand.«
    »Aha. Und was hat das mit dir zu tun?«
    »Die BIG ist zu hundert Prozent über uns finanziert worden, Jochen. Sie war nie selbständig, sondern ein Investitionsgrab der Treubau-Gesellschaft und damit der VKG . Bei der BIG ist sehr viel schiefgelaufen, so dass wir demnächst eine kostspielige Korrektur durchführen müssen.«
    »Kostspielig für wen?«
    Zieten zögerte.
    »Für das Land. Jochen, ich habe von ganz oben den Auftrag, diesen Schlamassel so geräuschlos wie möglich zu beseitigen. Das ist möglich, aber nur, wenn das Abgeordnetenhaus nicht zu früh davon erfährt. Die Abstimmung soll im Februar oder März stattfinden. Kern der ganzen Rettungsaktion ist ein Antrag zu Änderung der Eigentümerverhältnisse im Konzern. Ich habe dir ja schon gesagt, wie die Vorlage intern heißt.«
    »Ganz oben wird also kräftig gemauschelt …«
    »Habe ich ganz oben gesagt?«, unterbrach ihn Zieten. »Ich wollte natürlich
ganz
oben sagen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Frieser erwiderte nichts. Zieten spürte, dass der Staatsanwalt langsam unsicher wurde.
    »Je weniger du darüber weißt, desto besser. Mein Verdacht ist, dass mir jemand Angst machen will. Vielleicht irre ich mich, aber bevor dieser Verdacht nicht ausgeräumt ist, kann ich keine Polizisten brauchen, die überall herumstochern und mehr Schaden anrichten, als sie nützen. Diese Botschaften und diese Kadaver, ausgerechnet in Objekten der BIG  – das ist doch nicht normal. In welche Richtung ermitteln denn deine Leute bisher?«
    »Sexualdelikt«, gab Frieser preis – in einem Tonfall, der nicht verhehlte, was er davon hielt.
    Zieten war jetzt hellwach.
    »Überleg doch mal«, sagte er. »Die Person, die hinter diesen Vorgängen und Botschaften steckt, verfügt offenbar über hochsensible Informationen, setzt sie aber auf eine sehr verschlüsselte und diskrete Weise ein. Niemand hat bisher irgendwelche Forderungen an mich gestellt. Falls jemand Inga entführt hat, um Druck auf mich auszuüben, warum nimmt dann niemand Kontakt mit mir auf?«
    »Und? Was vermutest du?«
    »Ich denke immer noch nach. Wer immer diese Aktionen durchführt, verfügt über Insiderwissen, kommuniziert dieses jedoch in Chiffren.«
    »Ein Geisteskranker?«
    »Oder ein

Weitere Kostenlose Bücher