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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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sehr raffinierter Strippenzieher.«
    Jochen Frieser begriff nicht, aber Zieten sprach schon weiter. »Die Frage ist: In welcher Richtung muss man so jemanden suchen … oder besser: Wer ist geeignet, so eine Suche durchzuführen, vor allem angesichts der heiklen Lage, die entsteht, falls diese Vorgänge bekannt werden?«
    »Worauf willst du denn damit hinaus?«
    »Wer ermittelt in dem Fall?«
    »Die siebte Mordkommission. Hauptkommissar Zollanger.«
    »Okay. Hör zu. Gib mir eine Stunde. Lass die Ermittlungen weiterlaufen wie bisher. Ich werde jetzt ein paar Telefonate führen. Du hast recht. Ich verlange zu viel von dir. Ich werde das auf einer höheren Ebene regeln. Du wirst von weiter oben Weisung bekommen, wie du zu verfahren hast, und brauchst dir später keine Vorwürfe zu machen, gegen Prinzipien verstoßen zu haben …«
    »Moment, Moment«, unterbrach ihn Frieser. »Was soll denn das nun heißen? Du kannst doch nicht einfach hinter meinem Rücken meinen Vorgesetzten befehlen …«
    »Befehlen? Wer redet denn von befehlen. Jochen, geht das denn nicht in deinen Kopf? Jemand muss in einer heiklen Situation eine schwerwiegende Entscheidung fällen. Das ist nicht Dienst nach Vorschrift.«
    Frieser stockte. Er hörte Zietens unterschwelligen Vorwurf deutlich genug.
Und da du dich nicht traust, werde ich mir die Genehmigung eben von ganz oben holen. Das wird dir dort bestimmt Beförderungspunkte einbringen. Prinzipienreiter sind immer gesucht.
    Zietens Stimme wurde eindringlicher: »Unser Gespräch gestern Abend war vertraulich, Jochen. Niemand weiß davon. Keiner wird dir vorhalten können, du hättest einen Ermittlungszusammenhang ignoriert.«
    »Was erwartest du von mir?«, fragte Frieser missmutig.
    »Einblick in die Ermittlungsakten. Und zwölf Stunden Zeit.«
    »Bist du wahnsinnig? Das kann ich nicht. Dass kann mich mein Amt kosten.«
    »Jochen! Willst du immer in diesem Amt bleiben? Meinst du, mit Dienst nach Vorschrift kommst du in Positionen, wo die großen Entscheidungen fallen? Meine Tochter ist vermutlich in Lebensgefahr. Weißt du, was es mich kostet, nicht zur Polizei zu gehen und sie endlich als vermisst zu melden? Ulla ist außer sich. Und glaubst du vielleicht, ich fühle anders? Aber ich bin für sehr viel mehr verantwortlich, daher handle ich so. Wir sind in einer Ausnahmesituation.«
    »Für wen brauchst du die Akten?«
    »Für einen Profi, Jochen. Kein Mensch wird etwas erfahren. Wenn wir diese Sache bis morgen diskret bereinigen, wird dir das gehörig nützen, das kann ich dir garantieren. Und sag bitte Marquardt und Sedlazek, sie sollen mich sofort anrufen.«
    Er legte auf. Als er sich umdrehte, stand seine Frau in der Tür und starrte ihn an.
    »Du unternimmst nichts, hast du mich verstanden?«, sagte er mit gepresster Stimme. »Und kein Wort. Zu niemandem!«
    Sie nickte stumm und wandte sich ab.

[home]
34
    Z ollanger hatte Mühe, seine Fassung zu bewahren. Er schloss immer wieder die Augen in der absurden Hoffnung, dass die grässliche Figur auf dem Schreibtischsessel dadurch verschwinden würde. Aber natürlich geschah nichts dergleichen. Im Gegenteil. Jedes Mal, wenn sein Blick auf die leblose Fratze fiel, schien ihre Gegenwart noch wirklicher, unausweichlicher geworden zu sein. Der Kopf war leicht nach hinten geneigt, die Augen bis auf einen schmalen Spalt geschlossen. Der Mund stand ein wenig offen. Man konnte die Zähne sehen. Der Gesichtsausdruck war … aber konnte man überhaupt von einem Gesicht sprechen? Dieser abgesägte Frauenschädel trug kein Gesicht zur Schau, sondern eine Totenmaske. Zollanger musterte angewidert die wächserne, bleiche Gesichtshaut. Ein blonder, geflochtener Haarkranz war auf dem rasierten Haupt der Toten befestigt worden. Zollanger spürte einen Würgereiz, schaffte es jedoch, ihn zu unterdrücken. Sein Blick fiel auf die rechte Hand der Figur. Die Vorderglieder der Finger waren nach unten gebogen und dann zusammengebunden worden, so dass die Hand wie verkrüppelt aussah. Einzelne lange schwarze Borstenhaare steckten zwischen den Fingerrücken und ließen den Handstumpf gänzlich unnatürlich aussehen.
    Unnatürlich? Was für ein sinnloses Wort. Jedes Detail dieser Puppe, der jemand den Kopf und die rechte Hand einer menschlichen Leiche verpasst hatte, war unnatürlich. Unter dem grünen Mantelsaum, wo sich das rechte Bein befand, war auch diesmal etwas Tierisches beigemischt worden: Eine Kralle von einem Hahn ragte dort hervor. Auf dem Rücken des

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