Torso
sich in Augenschein. Dieser Kopf! Die Kralle unter dem Mantelsaum.
»Ist das echt?«, wollte er wissen.
Marquardt nickte. »Die Kralle stammt von einem Hahn. Die rechte Hand und der Kopf gehören sehr wahrscheinlich zu der Leiche, die sie in Lichtenberg gefunden haben.«
»Wann?«, stieß Zieten hervor.
»Freitagmorgen«, sagte Marquardt. »Ein Frauentorso. Freitagmittag haben sie den linken Arm gefunden, in diesem Schwuchtelficktempel in Tempelhof. Und jetzt das.«
Zieten verzog kurz das Gesicht über Marquardts Wortwahl, sagte jedoch nichts. Außerdem meldete sich jetzt Sedlazek vom Rücksitz:
»Das heißt also, wer immer das hier zustande gebracht hat, ist vermutlich noch nicht fertig. Es fehlen noch die Beine und der rechte Arm.«
Zieten nickte angewidert.
»Hast du den Zettel dabei?«, fragte er dann.
Marquardt griff in seine Innentasche und holte die Zeichnung hervor.
Zieten sah auf den ersten Blick, dass es die gleiche Sorte Botschaft war. Das gleiche Papier. Dieselbe rätselhafte Darstellung irgendeiner altertümlichen Szene. Und wieder ein lateinischer Spruch.
PIETAS VINDICTAM AVERTENS .
»Was denkst du, Hajo?«, fragte Marquardt nach einer Weile.
»Ich denke, wir fahren jetzt in mein Büro, und ihr beiden erzählt mir, was ihr mir da eingebrockt habt. Das kommt doch aus eurer Ecke, oder? BIG -Objekte. Das BIG -Büro. Wer zum Teufel kommt da in Frage? Das müsst ihr doch wissen, verdammt noch mal!«
Marquardt und Sedlazek wechselten Blicke.
»Hört auf mit diesem Theater«, schrie er sie an. »Meine Tochter ist verschwunden. Das hier lag in ihrem Wagen.« Er warf Marquardt die Phoenix-Zeichnung in den Schoß. »Irgendjemand hat offenbar sehr detaillierte Kenntnisse über uns, vor allem über mich. Habt ihr in letzter Zeit irgendwelche Probleme gehabt? Intern? Los, raus mit der Sprache.«
»Nicht hier, Hajo. Komm. Fahren wir in dein Büro.«
Zieten rührte sich nicht. Seine Schläfen pochten.
»Ihr beide habt genau fünf Minuten, mir zu erklären, was bei euch schiefgelaufen ist. Dann fahren wir in mein Büro und finden eine Lösung. Los.«
»Es … es kann eigentlich gar nicht sein«, fing Marquardt stammelnd an. »Wir hatten das Problem eigentlich bereinigt. Aber offenbar nicht vollständig.«
»Welches Problem?«
»Eric Hilger.«
»Wer ist das?«
»Er war unser EDV -Mann.«
»War? Was ist mit ihm?«
»Er, nun ja, er ist tot.«
Zieten drehte sich langsam zu Marquardt um und schaute ihn eindringlich an.
»Tot. Einfach so?«
»Ja. Er hat sich umgebracht. Im September.«
Die anschließende Stille wurde vom Hupen eines Busses unterbrochen, der gerade an ihnen vorbeifuhr.
»Hilger hat unsere gesamte EDV entwickelt«, fuhr Marquardt fort. »Er kannte die Buchhaltung besser als wir. Wir hatten natürlich ein Auge auf ihn. Aber wir dachten, das ist ein ehrgeiziger Junge, der Karriere machen will. Er hat blendend verdient. Wir haben ihn wie einen von uns behandelt. Er hatte glänzende Perspektiven, verstand sich super mit den anderen, war mit einem unserer Marketingmädchen liiert. Aber was soll man machen. Günther, wie war das noch? Du bist ihm doch auf die Schliche gekommen?«
»Hilger war eine hinterhältige Ratte«, sagte Sedlazek. »Er hat ständig Daten heruntergeladen. Angeblich Sicherungskopien vor größeren Wartungen. Niemand konnte das so richtig überprüfen, denn die Systemarchitektur ist ja von ihm. Aber so ganz von gestern bin ich auch nicht. Ich habe mal ein paar Wochen genauer hingeschaut. Er war überall drin. Nicht nur bei uns. Ich fürchte, auch bei dir, Hajo. Der Kerl hat Daten abgezogen wie ein Staubsauger.«
»Weiter«, forderte Zieten ruhig.
»Im Januar bekamen wir einen Tipp, dass sich jemand im LKA mit uns beschäftigt hatte. Ein gewisser Anton Billroth. Der Mann war glücklicherweise ein paar Wochen zuvor an einem Herzinfarkt gestorben, aber du kannst dir vorstellen, dass ich fast selbst einen bekam, als ich davon erfuhr. Ich habe ein wenig herumgefragt, und es war klar, dass jemand diesem Billroth ein paar heiße Tipps gegeben hatte. Wir haben natürlich sofort alle in Frage kommenden Mitarbeiter durchleuchtet. Alles deutete auf Eric Hilger. Er muss bemerkt haben, dass wir wussten, was er da trieb. Er kündigte Knall auf Fall und tauchte unter.«
Zietens Gesichtsausdruck wurde immer dunkler.
»Und ihr seid nicht einen Moment lang auf die Idee gekommen, mich zu informieren?«, fragte er zornig.
»Warum? Es war eine interne Sache.«
»Intern? Wenn
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