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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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männliche.
     
    Sie verließ das Haus und stieg auf ihr Fahrrad. Sie musste diesen Kommissar sprechen. Als sie zwanzig Minuten später die Bartningallee erreicht hatte, war das Wetter genauso schlecht wie am Sonntag, als sie auch schon hier gestanden hatte. Sie klingelte mehrmals, aber es erfolgte keine Reaktion. Nach einer Stunde spürte sie die Kälte. Sie spazierte auf und ab und begann sich zu fragen, ob es keine andere Möglichkeit gab, mit diesem Mann in Kontakt zu kommen. Als eine ältere Frau das Gebäude verließ, schaffte sie es noch rechtzeitig und schlüpfte zur Tür hinein. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl in den achten Stock und klingelte an Zollangers Wohnung. Vergeblich lauschte sie einige Sekunden in die Stille hinter der Wohnungstür hinein, ging dann eine halbe Treppe abwärts und setzte sich auf die Stufen. Das Treppenlicht erlosch. Die plötzliche Wärme nach den Stunden draußen in der Kälte ließ eine bleischwere Müdigkeit in ihr aufkommen. Sie versuchte, all das, was sie die letzten Tage über gesammelt hatte, irgendwie zu ordnen. In jeder Richtung gab es Unklarheiten, nichts, woran man sich halten konnte. Eric hatte massenhaft Firmendaten gesammelt, die ihm so wichtig gewesen waren, dass er sie aufwendig versteckt und geschützt hatte. Auf seinem Konto waren große Beträge eingegangen, die er nicht benutzt hatte, um seine Schulden zu bezahlen. Warum? Wieso hatte er seine alten Handys stillgelegt? Warum log Pia? Was hatte Eric am Tag seines Todes von ihr gewollt? Sie hatte versucht, ihn anzurufen, auf einem seiner stillgelegten Handys, deren SIM -Karte in München bei Alexandra versteckt gewesen war.
    Elin drückte auf den Lichtschalter und holte ihre Unterlagen hervor. Sie musste alles logisch aufschreiben für diesen Bullen, ihm eine Geschichte erzählen, eine Geschichte von Eric, der monatelang vor einer unbestimmten Gefahr auf der Flucht war. Sie begann ihre Notizen zu ordnen. Mehrmals machte sie das Licht wieder an. Dann wurde ihr Kopf von neuem schwer. Vielleicht sollte sie fünf Minuten schlafen, dachte sie. Nur fünf Minuten. Sie legte den Kopf auf die Arme. Es roch nach Bohnerwachs. Das registrierte sie noch. Dann schlief sie ein.

[home]
38
    A ivars Ozols hatte etwa drei Stunden mit dem Material verbracht, als ihm allmählich ein Licht aufging.
    Er spürte ein erregendes Gefühl in der Magengegend. Dieser Auftrag war so richtig nach seinem Geschmack. Die Scheußlichkeit auf den Tatortfotos rang ihm Respekt ab. Bereits die Emblemdarstellungen hatten ihn neugierig gemacht. Als Droh- oder Erpressernachrichten waren sie außergewöhnlich stilvoll. Aber das hier? Das war geradezu unerhört. Das war kein Durchschnittstäter. Ein Schlauberger konnte sich dumm stellen. Aber ein ungebildeter, primitiver Mensch konnte schwerlich eine kultivierte Maske tragen.
    Nach Marquardts Anruf hatte er seinen Morgentee stehen lassen und war sofort losgefahren. Immer noch diese Hilger-Sache! Sechs Monate hatte er sich mit diesem Kerl herumgeschlagen. Und jetzt schon wieder?
    Zieten hatte ihm ausführlich geschildert, was geschehen war. Dann waren Ermittlungsakten eingetroffen, und er hatte einen Raum, einen Computer und Zeit bis Mittag gefordert.
    Zuerst hatte er sich mit den Emblemen beschäftigt. Es war nicht sonderlich schwierig gewesen, sie zu identifizieren. Er schlug die Sentenzen im Internet nach und stieß schnell auf die entsprechenden Darstellungen. Der Fuchs, der auf einer treibenden Eisscholle gefangen war, stammte aus der Emblemsammlung eines gewissen Joannes Sambucus aus dem Jahr 1564. Offenbar hatte sich das Dargestellte kurze Zeit zuvor bei Regensburg tatsächlich zugetragen.
Nullus Dolus Contra Casum. Es gibt keine List gegen den Zufall.
Aivars notierte. War Zieten der Fuchs? Behauptete der Versender der Botschaft, ihm durch Zufall auf die Schliche gekommen zu sein, ihn in der Hand zu haben? Eine andere Lesart fiel ihm jedenfalls auf Anhieb nicht ein.
    Er wandte sich der nächsten Vignette zu.
Vita Mihi Mors Est.
Sie wurde einem gewissen Joachim Camerarius zugeschrieben. Aivars erfasste die Quelle, ohne eine klare Idee zu haben, was er damit anfangen würde.
Mein Leben ist der Tod,
schrieb er unter die Darstellung des Phoenix und meditierte eine Weile darüber, was diese Botschaft dem Adressaten wohl mitteilen sollte. Zieten hatte ein geheimes Dokument erwähnt, das den Codenamen Phoenix trug. Aber war noch ein anderer Bezug denkbar?
    Da er diese Frage nicht beantworten konnte, nahm er sich

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