Torso
jemand über eure Computer bei mir eindringt! Möglicherweise bis hoch zur Treubau? Das nennst du intern?«
Die beiden Männer schwiegen.
»Weiter«, befahl Zieten.
»Wir haben versucht, mit ihm zu reden. Aber er war einfach nicht mehr zu erreichen. Offenbar hatte er Angst vor uns. Unser Mann, der sich um ihn kümmerte, meinte, er sei total panisch. Er wechselte ständig den Aufenthaltsort, benutzte Kartenhandys, war psychisch labil. Nach langem Hin und Her haben wir begonnen, ihm Geld zu schicken, damit er zur Besinnung kommt. Natürlich haben wir auch kleine Zeichen setzen müssen, dass wir durchaus auf dem Laufenden waren, wo er sich aufhielt. Das mussten wir tun. Zuckerbrot und Peitsche eben. Aivars hat dann …«
»Wer ist Aivars?«
»Unser Mann für schwierige Aufgaben, Aivars Ozols. Ein Lette. Ex-Geheimdienstmann. Phänomenaler Typ. Er hat die Datendepots ausgehoben, die dieser Idiot überall angelegt hatte. Wir dachten, dass wir das Problem Hilger damit los wären. Außerdem weißt du selbst, dass im Sommer unsere eigentlichen Probleme begannen. Die Insolvenz war ja im Mai schon sichtbar. Wir hatten also noch anderes zu tun, als einen kleinen Möchtegernerpresser in Schach zu halten …«
»Was ist mit Hilger passiert?«, fragte Zieten.
»Er hat sich erhängt. Ende September. Im Tegeler Forst.«
Zieten schüttelte fassungslos den Kopf. »Wie konntet ihr das tun!«
»Wie! Was denn? Der Junge ist durchgedreht. Die Sache ist untersucht worden. Die Polizei hat eindeutig Selbstmord festgestellt …«
Zieten drehte den Zündschlüssel und startete den Motor. Im gleichen Moment piepste Sedlazeks Handy. Er schaute auf das Display und las die Textnachricht.
»Jetzt ist es amtlich«, sagte er. »Unser Server hat letzte Nacht mehrere Zugriffe von Hilgers Laptop registriert.«
Zieten drehte die Augen zum Himmel. »Von woher?«
»Das wissen wir noch nicht. Wir haben bisher nur seine Kennung. Hilger ist tot. Aber offenbar hat jemand einen Computer, auf dem Hilgers Zugangscodes noch installiert sind.«
»Wie kann das sein? Wieso habt ihr das nicht alles geändert?«
»Hajo!«, rief Marquardt aufgebracht. »Hilger war eine hinterhältige Ratte. Er hat das gesamte System aufgebaut. Wir hätten eine komplett neue Anlage installieren müssen, um sicherzugehen, dass alle Geheimtüren zu sind, die er da eingebaut hat …«
»… und da habt ihr lieber ihn abgeschaltet. Nein. Kein weiteres Wort. Ruft mir diesen Ozols«, kommandierte Zieten. »Sofort.«
[home]
37
D er Hauseingang lag keine zehn Meter von dem Geldautomaten entfernt, an dem Eric am Tag seines Todes seine letzte Abhebung durchgeführt hatte. Der Name stand deutlich lesbar auf dem vorletzten Klingelschild. Elin klingelte im zweiten Stock. Eine Stimme fragte, wer da sei. Sie gab an, Post einwerfen zu wollen, und wurde mit dem Summen des Türöffners belohnt. Zwei Minuten später stand sie vor einer Wohnungstür im vierten Obergeschoss. Sie legte den Kopf an das Holz und lauschte. Ein Radio lief. Sie musterte das mit Kugelschreiber geschriebene Namensschild: P. Albogast. Dann drückte sie auf den Knopf. Einige Sekunden vergingen. Das Radio wurde leiser. Schritte auf Holzfußboden näherten sich. Dann ein Klappern hinter der Tür.
»Ja. Wer ist da?«
Elin klopfte.
Erneutes Klappern, der Hörer der Wechselsprechanlage wurde aufgelegt. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Keine Kette.
»Ja?«
»Frau Albogast?«
»Ja.«
»Ich bin Elin. Erics Schwester.«
Wieder vergingen mehrere Sekunden. Dann trat die Frau zur Seite und öffnete die Tür.
»Bitte.«
Elin betrat den Flur, nahm links eine unaufgeräumte Küche wahr und betrat den ersten Raum, der vom Flur abzweigte. Pia deutete auf ein dunkelrotes Sofa hinter einem Glastisch. Elin setzte sich. Die Frau war ein paar Jahre älter als sie selbst, aber wohl noch keine dreißig. Erics Typ. Mittellange blonde Haare. Pony. Gut sichtbare Oberweite. Schmale Hüften. Ein attraktives, aber zugleich durchschnittliches Gesicht.
»Willst du etwas trinken?«
»Nein, danke.«
Pia verließ den Raum. Das Radio verstummte. Sie kam mit einem weißen Becher zurück.
»Ich habe dich in Erics Handy gefunden«, erklärte Elin.
Pia nickte. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Du bist hier, um seine Sachen zu holen?«
»Er hat noch Sachen bei dir?«
»Nein«, sagte sie und lächelte über das Missverständnis. »Bei ihm, meine ich.«
»Du kennst seine Wohnung?«
»Ich … nein, er hat sie ja erst im Frühjahr
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