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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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brauche ich dich zum Verhandeln.«
    »Ja, es ist wohl besser, wenn wir nicht gleich alle dort anrücken«, meinte seine Frau. »Die kriegen sonst womöglich einen Schreck. Und in eine Rikscha setze ich mich sowieso nicht. Ich höre mich lieber ein bisschen in der Heimküche um. Da werden noch Helfer zum Gemüseputzen gesucht, und beim Möhrenschnippeln bekommt man wichtige Informationen.«
    ***
    Am nächsten Morgen nach einem weiteren Frühstück an der Essensausgabe und den dringlichen Ermahnungen der Mutter, auf jeden Fall auch die Unterkunftsfrage anzusprechen, zogen Vater und Tochter los. In der Ward Road entdeckte Inge eine leere Rikscha und winkte das zweirädrige Gefährt kennerhaft mit nach unten weisender Handfläche heran. Der Kuli machte zwar Anstalten, die Fahrbahn zu überqueren, konnte sich jedoch nicht durch das Verkehrsgewühl zu ihnen durchkämpfen. Da fiel Inge wieder ein, dass man in Schanghai ja links fuhr. In dem auf den Straßen herrschenden Gewühl war im Chaos einander ausweichender Fahrzeuge keine eindeutige Fahrtrichtung auszumachen gewesen.
    »Papa, ich glaub, wir müssen auf die andere Straßenseite, wenn wir über die Brücke wollen.«
    »Du hast wieder mal recht, Entlein«, sagte ihr Vater, nachdem er sich verwirrt umgeschaut hatte. »Ich hab überhaupt nicht aufgepasst. Wenn ich dich nichthätte!« Kopfschüttelnd folgte Herr Finkelstein seiner Tochter über die Straße. Dort probierten sie es noch einmal, und gleich darauf hielt eine Rikscha.
    »What side, missy, master?«, fragte der Fahrer.
    Verständnislos sah Inge ihren Vater an. Alles hatte sie erwartet   – Chinesisch, das näselnde Schanghaierisch, irgendeinen fremdländischen Dialekt   – nicht aber dieses verquere Englisch. War das die Pinguin-Sprache, die Frau Schwab erwähnt hatte? Das klang ja tatsächlich, als unterhielten sich zwei dieser komischen Vögel.
    »Das ist Pidgin-Englisch, Entlein. Eine Mischsprache, die die Chinesen im Umgang mit den Ausländern entwickelt haben.« Er zeigte dem Kuli den Zettel mit der Adresse.
    »Savvy. Can do. This side largee joss-house. All plopa!« Der Mann bedeutete ihnen einzusteigen.
    So einfach wollte Inge sich die Sache nicht aus der Hand nehmen lassen. Allerdings würde sie sich mit den Chinesen nicht in dieser albernen Vogelsprache unterhalten. Wozu hatte ihr die Freundin Chinesisch beigebracht?
    »
Duōshao qián?
«, fragte sie den Rikschakuli. Dabei gab sie sich besondere Mühe mit den unterschiedlichen Tönen, so wie sie es bei Ina gelernt hatte.
    »
Oh, das kleine Fräulein spricht Chinesisch
«, erwiderte er überrascht, diesmal in ordentlichem Hochchinesisch, wobei auch er sich um eine deutliche Aussprache bemühte.
    »
Duì, wǒ shuō zhōngwén
«, bestätigte Inge stolz.
    Der dürre, sonnengegerbte Mann lächelte ihr anerkennend zu und sagte dann zum Vater: »Special priceefor missy, master«, wobei er wieder in das im Umgang mit Weißen gebräuchliche Pidgin-Englisch zurückfiel.
    Befriedigt ließ Inge sich auf die Sitzbank fallen und knuffte ihren Vater triumphierend in die Seite. »Wie gut, dass du mich mitgenommen hast. Der gibt uns Rabatt.«
    Es war schon ein seltsames Gefühl, sich von einem Menschen ziehen zu lassen, aber Inge musste zugeben, dass er sich mit unglaublichem Geschick und Tempo durch die dichte Menschenmenge schlängelte. Ein Auto hätte sich da schwergetan. Das erste Stück des Wegs kannte sie bereits, hier waren sie gestern entlanggekommen. Ihre Nase signalisierte ihr, wo sie sich gerade befanden: Garküchen, Markthalle, schließlich der faulige Geruch des Wassers. Dann schickte der Mann sich an, die steile Garden Bridge zu erklimmen. Inges erster Impuls war, aus der Rikscha zu springen, um es ihm leichter zu machen, doch ihr Vater hielt sie mit einer Handbewegung zurück. Unmittelbar vor ihnen, auf dem Scheitelpunkt der Brücke, stand der Furcht einflößende japanische Wachtposten mit Gewehr und Bajonett. Quälend langsam, die Muskeln zum Zerreißen gespannt, den Kopf so tief zwischen die Deichseln seines Gefährts gesenkt, dass man es für eine Verbeugung hätte halten können, zog der Kuli seine Last unter den Augen des Soldaten vorbei. Dieser musterte die Fahrgäste genau, verzog dabei aber keine Miene. Als er sah, dass es sich um »Langnasen« handelte, winkte er sie mit einer sparsamen Handbewegung durch. Nun ging es aufder anderen Seite wieder hinunter, was für den armen Kuli nicht minder anstrengend war. Mit ganzer Kraft musste er sich

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