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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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die unterschiedlichen Viertel und ihre jeweilige Atmosphäre in sich auf, um anschließend in der Bubbling Well Road anzukommen, wo ihr Schlüssel zu dieser längst nicht mehr fremden Kultur lag.
    Neulich zum Beispiel hatte sie Leberwurst zu einer Adresse in der Ferguson Road geliefert. Die Häuser dort mit ihrem Fachwerk, ihren Erkern und Türmchen kamen Inge immer wie aus dem Märchenbuch vor. Natürlich betrat sie solch ein Anwesen nicht durch den imposanten Haupteingang, sondern durch eine kleine Tür in der Mauer. Meist war es der Number one Houseboy, der ihr öffnete, wenn sie dort klingelte. Seine Stellung in der strengen Hierarchie der Bediensteten erlaubte ihm auch, einen kleinen Teil des Geldes, das ihm die Herrschaft für die Wurst gegeben hatte, als
cumshaw
für sich zu behalten. Das war, wie Inge inzwischen gelernt hatte, ganz in Ordnung so; er ging davon aus, dass sie, die er als seinesgleichen betrachtete, an anderer Stelle ihren »Schnitt« machen würde. Dafür wurde sie freundlich in die Küche gebeten und von der Amah oder vom Koch mit Tee und Gebäck verwöhnt. Man pflegte gute Beziehungen.
    Gelegentlich machte Inge auch schon mal ein Geschäft auf eigene Rechnung. Seit mit der Seeblockade der Nachschub ausblieb, waren auch westliche Medikamente rar geworden, und so manche »Herrschaft« griff daher notgedrungen auf die traditionelle chinesische Medizin zurück. Doch als Weißer besprach man seine körperlichen Gebrechen weder mit den Dienstboten, noch traute man sich in eine chinesische Apotheke; man hatte ja gehört, welch unaussprechliche Dinge die Chinesen in ihre Arzneimittel mixten. Also vertraute sich die Hausfrau lieber dem blonden Leberwurstkurier an.
    »Hast du schon mal von dieser Salbe gegen Hongkongfußgehört?«, ein typisches Leiden in den feuchtheißen Sommermonaten, oder: »Mein Aspirin ist aus, es gibt doch da diesen Tee gegen Kopfschmerzen.«
    Inge hatte inzwischen gute Kontakte zur Apotheke schräg gegenüber des Tempels. Fasziniert sah sie zu, wie deren Besitzer aus den unzähligen kleinen Schublädchen mit Heilsubstanzen pflanzlicher, tierischer und mineralischer Herkunft das Passende zusammenmischte. Dabei war er jedes Mal so konzentriert, dass das lange Haar auf der Warze neben seinem Mundwinkel bebte. Was da am Ende herauskam, musste einfach helfen.
    So war Inge als Kurier zwischen zwei Welten unterwegs. Für sie war das hier kein Wahnsinn, sondern das ganz normale pralle Leben. Selbst für das Toilettenproblem hatte sie auf ihren Fahrten mittlerweile eine Lösung gefunden. Sie hatte keine Hemmungen, die unscheinbaren öffentlichen Toiletten aufzusuchen. Die Zeichen für Frau 女 und Mann 男 konnte sie längst auseinanderhalten, wenngleich es Überwindung kostete, sich in einen dieser nicht unterteilten Verschläge zu begeben. Den Geruchssinn stellte man dabei am besten ab. Inge musste schmunzeln, wenn sie an ihren ersten Besuch zurückdachte. Als sie eintrat, hockten bereits zwei Frauen über einer betonierten Rinne und tauschten seelenruhig den neuesten Nachbarschaftstratsch aus. Als sie Inge erblickten, verstummten sie augenblicklich und starrten das blonde Mädchen an, das sich anschickte, ebenfalls in die Rinne zu pinkeln.
    »
Was schaut ihr so? Ich mach das auch nicht anders als ihr
!«, hatte sie zu den neugierigen Frauen gesagt.
    »
Tā kě zhēn huì jiǎng o!
«, kam es anerkennend zurück, womit die beiden überrascht feststellten, dass die Ausländerin Chinesisch konnte, sie hatten aber zugleich auch ihre Bewunderung für deren »Mundwerk« zum Ausdruck gebracht.
    Ich bin glücklich hier, brachte sie ihre Überlegungen auf den Punkt, und über diesem Gedanken schlief sie schließlich doch ein.
     
    In der Nacht wurde Inge von Laifu geweckt, der unbedingt rauswollte. Verwundert horchte sie: In ihren Ohren dröhnte eine tiefe Stille   – der Taifun war weitergezogen. Erst im Nachhinein merkte man, wie laut und ausdauernd er über der Stadt gewütet hatte. Sie ließ den Kater nach draußen und schlief beruhigt weiter.
    ***
    Als Inge sich am nächsten Morgen widerwillig auf den Schulweg machte   – leider gab es jetzt keine Ausrede mehr   –, wurde das ganze Ausmaß der Verwüstung sichtbar. Der Sturm hatte Dächer abgedeckt, Bäume geknickt und sogar ein Stück vom Tempeldach weggerissen. Streckenweise mussten die Leute durch riesige Pfützen waten, auf denen halb nackte Kinder Boote aus abgegessenen Melonenschalen schwimmen ließen. Rikschafahrer

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