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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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Laub, Äste und allerlei Unrat in den Hof geweht. Inge war das gerade recht, mit Nachdruck ließ sie den Besen über die Steinplatten sausen. Nachdem sie alles zu einem ordentlichen Haufen zusammengekehrt hatte, schlüpfte sie auf die Straße hinaus und zog den schweren hölzernen Türflügel hinter sich zu.

Die Einschläge kommen näher
    Schanghai, 1944   – Jahr des Affen
    猴
    Und dann holte der Krieg sie doch noch ein an ihrem Zufluchtsort Schanghai, im Ghetto von Hongkou. Sein Näherkommen hatte sich im Alltag schon des Längeren angekündigt, zum Beispiel in den rasant steigenden Lebensmittelpreisen, die die Japaner durch Bezugsscheine für lebenswichtige Güter ebenso zu regulieren suchten wie durch die Rationierung von Elektrizität, Gas und Treibstoffen.
    Aus dem Konditormeister Finkelstein war ein Bäcker geworden   – für Bienenstich und Torte fehlten sowohl Zutaten wie auch zahlungskräftige Kunden. Deshalb wurde in der Backstube des »Delikat« jetzt vor allem Brot gebacken, und man bezahlte Herrn Finkelstein für seine Arbeit vorwiegend in Naturalien   – Brot, das die Familie ernährte, aber auch als Tauschware nützlich war.
    Die Geschäfte von Max und Inge hingegen blühten auf. Was es auf Bezugsscheine nicht gab, das gab es auf dem Schwarzmarkt, ein völlig neues Betätigungsfeld für den findigen Max. Entsprechend hoch war das Transportaufkommen. Zumal durch den Mangel an Treibstoff und Elektrizität der Straßenbahn- und Busverkehr noch unzuverlässiger geworden war. Alskriegswichtiger Artikel durfte Benzin nicht zur öffentlichen Personenbeförderung verplempert werden, und die Holzvergaser waren nicht sehr effektiv. Auch bei den Straßenbahnen konnte man nie sicher sein, wann sie fuhren und ob sie unterwegs nicht einfach stehen blieben   – entweder weil der Strom abgeschaltet wurde oder wegen der Straßensperren. Dann raste Wang Jingwei, Präsident der von den Japanern eingesetzten Marionettenregierung, in seiner Limousine mit den getönten Scheiben durch die Stadt   – benzingetrieben natürlich   –, und alle anderen mussten warten.
    Nur Inge nicht; mit ihrem Rad war sie flexibel und kannte die Straßen Schanghais inzwischen gut genug, um ausweichen zu können. Und natürlich kannte sie die besten Nudelsuppenköche, Pfannkuchenbäcker, Maroniröster und Süßkartoffelbrater der Stadt, und die befanden sich in der Chinesenstadt, rund um den Stadtgotttempel, dort, wo man laut Frau Schwab als Weißer unmöglich hingehen konnte. Wann immer es sich einrichten ließ, machte Inge auf ihren Fahrten dort halt, magisch angezogen vom durchdringenden Duft des stinkenden Tofu. Ein Radfahrer brauchte schließlich auch seinen Betriebsstoff. Im Stehen oder auf winzigen Kinderhockern am Straßenrand hockend, schlürfte sie ihre Suppe Seite an Seite mit Rikschakulis, die jedes Mal große Augen bekamen, wenn Inge ihre Kappe zog und die blonden Zöpfe zum Vorschein kamen.
    »
Tāmāde, shì ge xiǎo yáng guĭzi ya
!«–
Verdammt, das ist ja ein ausländischer Teufel,
riefen sie erstaunt, was nicht sehr höflich klang, aber durchaus nett gemeint war.Sobald ihnen das hoch aufgeschossene junge Mädchen dann aber in fließendem Schanghai-Chinesisch versicherte, dass sie ebenfalls im Transportgewerbe tätig sei, wollten das Hallo und die Fragen nach dem Wie und Warum kein Ende nehmen. Inge beendete solche Debatten regelmäßig, indem sie durch einen kräftigen Rülpser ihr Mahl beschloss   – als Anerkennung für den Koch. Das verstand hier jeder. Nur Frau Finkelstein hatte keinerlei Verständnis, wenn Inge das aus Versehen mal am häuslichen Esstisch passierte.
    »Du isst wie ein Lohnkutscher«, schimpfte sie.
    »Bin ja auch einer«, gab sie der Mutter scherzhaft zurück, »allzeit bereit mit meinem Stahlross.«
    Doch die fand das gar nicht lustig. »Du verwilderst noch völlig, Kind. Und wie gefährlich es ist, in solchen Zeiten allein durch diese schreckliche Stadt zu fahren!«
    »Schanghai ist die spannendste Stadt, die ich mir vorstellen kann.«
    »Für die Schule hast du auch kaum noch Zeit.« Frau Finkelstein schüttelte missbilligend den Kopf.
    »Stimmt, ich könnte noch viel mehr Fahrten machen, wenn ich nicht den ganzen Vormittag dort festgenagelt wäre.«
    »Und wenn du zu Hause was lernst, dann sind es chinesische Schriftzeichen.« Jetzt kam sie richtig in Fahrt.
    »Klar, weil die nützlich sind«, bestätigte Inge. »Aber gegen meine Noten kannst du doch nichts sagen, oder?« Inge

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