Tortengraeber
winziger Renoir friedlich vereint, Bier im Glas, Fische im Glas, gedämpftes Licht aus einer ultramarinen Lichtsäule, Feuer im Kamin, der gleich einem gläsernen Tresor in der Wand steckte. Vor dem Kamin, steif, angespannt, schwitzend, nebeneinander aufgereiht wie Schauspieler, denen das Stück entglitten war, saßen drei Männer, Schläger, vielleicht Kasachen, vielleicht Berliner, sehr viel Fleisch, aber schlechte Zähne. Wesentlich weniger Fleisch, aber ganz hervorragendes Zahnmaterial besaß jener Nerz, der vor den drei Männern auf seinen Hinterbeinen stand und ihnen mit ebenjenen Zähnen drohte. Auf einem Glastisch lagen die Pistolen der Herren, eigentlich nur ein paar Schritte von ihnen entfernt, aber das Mardertier hielt sie in Schach. Zwei der Männer hatten Bißwunden an den Händen.
»Na Burt, mein Schatz«, sagte Holt und stieß einen kurzen, stumpfen Pfeifton aus.
Burt ließ sich auf die Vorderbeine fallen, schloß seine helle Schnauze und lief mit einer wellenförmigen Bewegung auf Holt zu, zog eine Schleife um seine Beine, stellte sich wieder auf und ließ sich über den Kopf streichen, was er sichtlich genoß. Dann sah er hinüber zu Vavra und gab ein Geräusch von sich, das sich anhörte, als würde ein Vogel knurren.
»Sagen Sie hallo zu ihm.«
»Burt, wie geht’s?« gab sich Vavra Mühe.
Burt sprang auf das Ledersofa und ließ es zunächst einmal gut sein.
Holt trat auf die drei Männer zu. »Die Herren wollten zu Ihnen. Haben die Wohnung gestürmt, mit Feuerwaffen gedroht, sich sehr schlecht benommen, muß ich sagen. Und wollten partout nicht glauben, daß Sie ausgezogen sind.«
»Sie haben diesen kleinen Teufel auf uns gehetzt«, beschwerte sich der linksaußen. Er war ohne Wunde an der Hand, hielt sich aber ein Tuch ans Ohr. Die Farbe des Stoffs ließ auf einen bedenklichen Zustand schließen.
»Sie wagen zu behaupten, Burt sei ein Teufel?«
»Also, ich wollte ja nur …«
»Der kleine Kerl hat ein großes Herz«, erklärte Holt. »Und er mag keine Waffen. Aber lassen wir das.« Und zu Vavra: »Nehmen Sie Ihre Freunde mit. Und sehen Sie zu, daß so etwas nicht wieder vorkommt.«
»Das sind nicht meine Freunde.«
»Ihr Problem.«
»Wenn Sie gestatten, würde ich dieses Problem gerne in Gegenwart von Burt lösen. Er hat so eine gewisse beeindruckende Wirkung.«
»Wenn es unbedingt sein muß«, meinte Holt. »Fünf Minuten, nicht länger.«
»Gut«, sagte Vavra. Und an die drei Verwundeten gerichtet: »Also bitte, die Herren, wer schickt euch, und weshalb? Wozu die Pistolen?«
Natürlich hätten die drei versuchen können, die fünf Minuten irgendwie zu überbrücken, aber weder waren sie geübt im verbalen Winkelzug, noch wollten sie riskieren, ein weiteres Mal von Burt attackiert zu werden. Das war nicht ihr Tag. Sie waren Profis genug, um das einzusehen. Und sie waren nicht dafür bezahlt worden, den Mund zu halten.
Es war wieder der Mann linksaußen, der sich meldete. Ein Dr. Hufeland habe sie geschickt. Ihr Auftrag wäre es gewesen, Vavra in die Mangel zu nehmen und ihn davon zu überzeugen, daß es besser sei, die Sache mit der Taubenhofgasse zu gestehen.
»Da hätten Sie mich aber zu Tode prügeln müssen.«
»Berufsrisiko«, erklärte nun die rechte Flanke, während das Mittelfeld kurz den Schmerz in der Hand vergaß und versonnen in sich hineingrinste.
Vavra behauptete, daß er nicht wüßte, was es zu gestehen gebe.
»Wer einmal auf dem Operationstisch liegt, dem fällt eine ganze Menge ein«, kam es von der rechten Seite mit dem Tonfall langer Geschäftspraxis.
»Wer ist dieser Hufeland?« wollte Vavra wissen.
»Wichtiger Mann«, sagte Rechtsaußen und schrie gleich danach auf, da ihm Holt einen Schlag auf die verletzte Hand versetzt hatte. Es ging Holt zu langsam, weshalb das Mittelfeld sich beeilte zu erklären, daß der Professor Hufeland, Herbart Hufeland, ein bekannter Wiener Psychiater sei, der immer wieder als Gutachter in Prozessen fungiere.
Hufeland war ein Meister, wenn schon nicht der Medizin, so doch des Wortes und damit auch der Rechtsmedizin. Er verstand es dank bühnenreifer Überzeugungsarbeit, Anwälte wie Staatsanwälte auszustechen und Geschworene und Gerichte von seinen Gutachten zu überzeugen, deren Sinn darin bestand, geistige Abnormität und geistige Normalität zu vertauschen, und zwar in beide Richtungen. Es war nicht ungewöhnlich, wenn Unterweltler für Hufeland arbeiteten, der ja nicht bloß Gutachten verfaßte wie andere
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