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Tortengraeber

Tortengraeber

Titel: Tortengraeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Recht. Frau Resele befand sich in Wien und hatte nichts zu tun. Sie ließ sich nicht einfach abschütteln, stieg mit ihm aus dem Wagen.
    »Was wollen Sie eigentlich von mir, gnädige Frau?«
    Was dachte er? Daß die schwülstige Anrede ihn aus der Umklammerung befreien würde?
    Sie lachte über die »Gnädige«, nannte ihren Namen und erklärte, daß es die Polizeiarbeit sei, die sie interessiere.
    »Was, Polizeiarbeit?«
    »Einmal hineinschnuppern.«
    Cerny schlug sich auf die Stirn, rief Gott an. »Halten Sie das für eine Komödie?«
    Da sie auf den Einwurf nicht reagierte, verwies er ein weiteres Mal auf seine Vorschriften und daß er das Leben einer Zivilperson nicht gefährden dürfe.
    »Jetzt übertreiben Sie. Hier wird doch nicht geschossen.«
    »Ihr Analytiker ist tot – und es war nicht seine Leber«, spielte Cerny seine letzte Karte aus.
    Sie verdrehte die Augen und hakte sich ein. Jetzt verdrehte auch er die Augen. Es war wie Synchronschwimmen mit kleinen Schwächen.
    Die Sekretärin, ein altgedienter Kopf hinter dunkler Brille, präsentierte sich erwartungsgemäß abweisend, ließ sich von der läppischen Dienstmarke wie vom Argument der Dringlichkeit in keiner Weise beeindrucken, zeigte sich vielmehr verärgert darüber, daß die Polizei unangemeldet hereinschneie – dabei warf sie einen verächtlichen Blick auf Frau Reseles wintersportlichen Aufzug. Der Herr Professor sei zu einer Besprechung gefahren und derzeit nicht erreichbar. Und würde das vor morgen auch kaum werden.
    »Also bitte«, sagte sie und wies mit ihrer spitzen, glänzenden Nase Richtung Tür.
    Während sich Cerny bereits damit abfand, Hufeland abends im Churchill aufzusuchen, was er nur ungerne tat, da in der Bar auch höhere Kriminalbeamte verkehrten, sprang Resele vor, plazierte ihre Ellenbogen auf der Schreibplatte und öffnete die Hände, als wolle sie den Kopf der Sekretärin packen, um alles Wissen aus ihm herauszuquetschen. Begnügte sich aber mit der bedrohlichen Geste und verließ sich auf die Wirkung deutlicher Worte.
    »Hör zu, du aufgeblasene Ziege. Schluß mit dem Theater. Wir sind nicht hier, um deine Standhaftigkeit zu bewundern. Bei uns ist eine anonyme Drohung eingegangen. Irgend jemand da draußen ist derart sauer auf deinen Professor, daß er ihn doch tatsächlich abknallen will. Aber der Psychopath ist soweit ganz in Ordnung, als er uns zuvor benachrichtigt hat. Also, mein Schatz, wenn du jetzt so freundlich wärst, uns zu sagen, wo dein Chef ist, das Glück der Polizei wäre beinahe perfekt.«
    So reden sie im Film, dachte Cerny.
    Aber auch die Sekretärin war schon mal im Kino gewesen und kannte also den zynisch-harschen Ton, den die drohende Katastrophe heraufbeschwor, nahm die »Ziege« und den »Schatz« demütig an und erklärte, ihr Chef habe sich mit einigen Herren im Café Hummel verabredet.
    »Na, was sagen Sie?« flötete Resele, als sie wieder in Porsches rotem Meer schwammen.
    Würde Cerny diese Frau je wieder loswerden? Es ging gar nicht darum, daß sie seine Arbeit störte. Er besaß genug Freiraum, um einen Zivilisten einzubinden, brauchte sich nicht um Dienstvorschriften zu kümmern. Und immerhin chauffierte sie ihn sehr sauber durch die Stadt und hatte auf durchschlagend einfältige Art Hufelands Standort ermittelt. Was ihn aufregte, war der Umstand, daß er bereits die längste Zeit darauf verzichten mußte, Fieber zu messen.
    Als sie das Hummel erreichten, war der Platz davor mit Polizeiwagen und zwei Rettungsfahrzeugen verparkt. Eine Menschenmasse drängte sich um die Absperrung. In den hinteren Reihen standen die Leute auf Zehenspitzen oder hoben sich gegenseitig in die Höhe, um einen Blick auf den Tod zu erheischen, der zwar täglich allerorts wütete, aber in den Fernsehnachrichten genauso farblos wirkte wie in den Zeitungen und sogar noch an den Sterbebetten der Verwandten. Sah man ihn endlich in seiner ganzen Pracht, war man zumeist selbst das Opfer, und der ganze Spaß schnell vorbei. Hier aber war sein Glanz, sein seltener Hang zur Dramatik wenigstens im Ansatz spürbar. Auch wenn die Leiche bereits mit einer Plane abgedeckt worden war, so war doch noch eine Art Nachbeben zu spüren, allein die Aufgeregtheit der Uniformierten, die umhereilten, um bloß nicht den Eindruck von Hilflosigkeit zu erzeugen. Und ein wenig wünschte man sich berittene Polizei, die dem Geschehen etwas mehr Flair vermittelt hätte. Es war im Grunde eine Schande, daß die Stadt der Hofreitschule, der

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