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Tortengraeber

Tortengraeber

Titel: Tortengraeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Doktor ist tot«, sagte Cerny und fragte sich auch gleich, was das nun wieder sollte: mit der Wahrheit herauszurücken, als zöge er zur Kurzweil dieser Dame den üblichen Hasen aus dem Zylinder. Und wollte jetzt rasch an ihr vorbei. Doch sie packte seinen Arm. Einer Ohnmacht war sie nicht nahe.
    »Aber das kann er doch nicht«, empörte sie sich. Dieser einen Stunde wegen war sie nach Wien gekommen, anstatt den direkten Weg von Kärnten nach Vorarlberg zu nehmen. Was zugegeben ein Umweg war und ärgerlich.
    Cerny versuchte die energische Person im Empfangszimmer abzuschütteln. Doch als er bereits auf der Straße stand, klebte sie noch immer an seiner Seite und verlangte Aufklärung. Cerny verwies auf sein Dienstgeheimnis.
    »Es gibt keine Geheimnisse«, sagte die Frau, die vorerst einmal ohne Analytiker auskommen mußte.
    In der Thimiggasse wollte Cerny ein Taxi anhalten.
    » Ich fahre Sie«, sagte Frau Resele.
    Was sollte er machen? Die Frau niederstoßen, betäuben, mit Handschellen an einen Zaun ketten? Cerny verfügte über keine Handschellen. Also ließ er sich zu ihrem Wagen ziehen, einem hellblauen Porsche zwischen Antiquität und Friedhof, von dessen Heck zwei Paar Ski wie Abschußrampen schräg nach oben führten. Das Innere war beinahe vollständig in knalligem Rot gehalten, vom Lederbezug bis zur Tachonadel. Nur der wollüberzogene Knüppel der Gangschaltung leuchtete in einem Gelb, das allein einen blind machen konnte.
    »In den Siebzigern war einiges erlaubt«, sagte Cerny.
    »Ich liebe diesen Wagen«, bestätigte Else Resele die Begeisterung in ihrem Gesicht.
    Entgegen Cernys Erwartung war ihr Fahrstil unspektakulär. Sie hielt sich an die Verkehrsregeln, als hätte sie gerade eine Bank überfallen. Dazu ABBA und die Bitte, im Wagen nicht zu rauchen. Nicht daß Cerny rauchen wollte. Er wollte Fieber messen. Deshalb hatte er in die Tasche gegriffen. Verzichtete aber nun darauf. Er mußte vorsichtig sein. Dabei war er diesbezüglich noch nie schüchtern gewesen, hatte sich nie darum gekümmert, was andere von seiner Manie hielten. Aber er befürchtete, diese Frau würde sich mit Inbrust auf seine kleine Unart stürzen. Ein zähes Stück, so schien es, dem mit stummer Gelassenheit nicht beizukommen war.
    Und zäh war sie nun tatsächlich. Wie ihr Schweizer Gatte leidvoll bestätigen konnte, ein Privatier, der sich der Erforschung von Blindfischen verschrieben hatte. Als hätte er sich auch der Karikatur verschrieben, vermittelte Anton Resele selbst einen blinden Eindruck, durchaus in Spitzwegscher Manier, eine dicke, runde Brille tragend, hinter der seine Pupillen an zertretene Trauben erinnerten. So blind war er nun aber auch wieder nicht, daß ihm die externe Triebhaftigkeit seiner Frau verborgen geblieben wäre. Auch wenn Eifersucht nicht seine Sache war – seine Sache war eben das zurückgebildete Auge einer Unterordnung von Barschlachsen –, so war ihm jegliche Ausschweifung verhaßt. Nun war Else aber ein einziger optischer Exzeß, über einsachtzig, zu keiner Zeit ungeschminkt oder ungeschmückt, bombastische Frisuren bevorzugend, sowie eine Körpersprache, die wohl am besten mit dem Bild einer Frau zu beschreiben ist, die in rasantem Tempo einen Einkaufwagen zu füllen versteht.
    Man muß sich also fragen, ob Herr Resele, als er Else heiratete, blind oder geblendet gewesen war. In jedem Fall bemühte er sich seit Jahren um die Scheidung. Für Else freilich kam es nicht in Frage, daß sich ein Mann von ihr scheiden ließ. Sie war zuvor viermal verheiratet gewesen und hatte alle ihre Angetrauten an den Herrgott verloren. Dieses Prinzip wollte sie beibehalten. Und war durchaus in der Lage, ihrer Weigerung ein Gewicht zu verleihen, das schwer auf den Bestrebungen ihres Gatten lag.
    Frau Resele brachte Cerny hinunter nach Alsergrund. Cerny wollte es nun mit dem Professor Hufeland versuchen, der ja irgendwie in diese Affäre, diese nun vollends ausbrechende Crise noire, verwickelt schien. Hinter der Votivkirche lag das Büro des Gutachters. Kaum anzunehmen, daß man ihn dort antreffen würde. Aber vielleicht konnte eine Sekretärin weiterhelfen, auch wenn die Bedeutung von Sekretärinnen darin bestand, gerade dies nicht zu tun, sondern ihren Brötchengebern das Pack vom Hals zu halten. Und daß für Hufeland einer wie Cerny zum Pack gehörte, konnte sich dieser denken.
    »Sie müssen nicht einparken«, sagte Cerny.
    Frau Resele parkte ein.
    »Danke für Ihre Hilfe.« In seinem Ton lag Verzagtheit. Zu

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