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Tortengraeber

Tortengraeber

Titel: Tortengraeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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deshalb der Name, denn nachdem er eine weitere Tür geöffnet hatte, befand er sich in einem hellen, verrauchten Caféhausraum, der nichts mit Hochtourismus im Sinn hatte. Männer in Anzügen, die Damen trotz Zentralheizung und Kachelofen mit Hüten, blasse Gesichter, die Körperhaltung von Leuten, die sitzend ihr Geld verdienten und sitzend ihre Freizeit verbrachten. Durch die hohen Scheiben fiel der Blick auf einen überraschend gepflegten Hinterhof. Überhaupt wirkte dieses an die Bäckerei angeschlossene Caféhaus ungewöhnlich nobel für eine Gegend, in der sich Industrie und Gemeindebauten den Platz teilten, dazu ein paar brachliegende Wiesen, die der Spekulation dienten.
    Grisebach saß an einem kleinen, runden Tisch. Vor sich zwei seesternartige Törtchen und eine Biskuitrolle. Er befand sich im Gespräch mit einer Dame, die schwere, funkelnde Ringe über den schwarzen Samthandschuhen trug. Sie gestikulierte, als verschenke sie Todesurteile, und zwar großzügigst. Der schwarze Florentinerhut legte einen beinahe undurchdringlichen Schatten über ihr Gesicht. Sie sprach aus dem Dunkel heraus wie aus einem Off.
    Vavra hatte sich für den direkten Weg entschieden, trat an den Tisch und sagte: »Grisebach!«, so wie man sagt: Judas!
    Grisebach sah an ihm vorbei, unendlich gelangweilt, sprach kein Wort. Das tat dafür die Dame in Schwarz, die ihren behuteten Schädel leicht nach oben drehte, so daß etwas aufblitzte, vielleicht die Glut einer Zigarette oder der Glanz auf ihren bewegten Lippen oder die Spitze einer geröteten Nase.
    »Was wollen Sie?« erwiderte sie mit der Schärfe des Alters.
    Vavra ignorierte die Frau, sah auf Grisebach hinunter, dessen Namen er wiederholte und den er nun aufforderte, mit nach draußen zu kommen, um die Sache unter vier Augen auszumachen.
    »Grisebach, Grisebach! Sind Sie verrückt? Dieser Herr hier ist der Dr. von Wiese«, erklärte die Frau und winkte einem der Kellner.
    »Ich bitte dich, Edna, kümmer dich nicht weiter um diesen schrecklichen Menschen«, sagte Grisebach und vermittelte – vornehm schmatzend – den Eindruck, daß ihn einzig der vorzügliche Geschmack seiner Biskuitrolle interessiere.
    Vavra blieb dabei, warnte Grisebach, daß es gar nichts nützen würde, sich hinter einer blasierten Art, einem anderen Namen und einer schwarzen Witwe zu verschanzen. Auch Grisebach blieb dabei, indem er fortgesetzt an Vavra vorbeisah, während die Dame sich beim Kellner beschwerte. Auch dieser bestätigte die Identität des Stammgastes als die eines Herrn, der zwar Doktor war und Aristokrat dazu, aber sicher nicht Grisebach hieß. Der Angestellte bat Vavra, sich zu mäßigen.
    Das wäre eine Möglichkeit gewesen, Vavra aber zog es vor, Grisebach die Verlogenheit eines Schweines vorzuwerfen. Was die Witwe mit »Prolet« kommentierte. Der Kellner erstarrte in Sorge. Grisebach demonstrierte Desinteresse an verbalen Entgleisungen und drehte an der Krone seiner Taschenuhr. Vavra schlug sie ihm aus der Hand. Noch nie hatte er etwas Derartiges getan. Aber bis vor kurzem hatte er auch nie etwas gestohlen. Er packte Grisebach am herabhängenden Kinn, nicht fest, er wollte ja bloß, daß Grisebach ihn ansah. Was dieser nun auch tat, offensichtlich doch überrascht, daß Vavra sich durch Arroganz nicht abschrecken ließ.
    Vavra ging mit seinem Kopf nahe an Grisebachs massigen Schädel heran, sprach leise: »Warum ich? Warum die Taubenhofgasse?«
    »Die Taubenhofgasse war doch Ihre Idee«, flüsterte Grisebach verärgert, während ein zweiter Kellner Vavra von hinten packte und von dem Stammgast wegriß. Gemeinsam drängten die Angestellten Vavra aus dem Café, durch den Gang und aus der Bäckerei. Er wehrte sich bloß dagegen, daß sie ihn anfaßten. Und indem er sich losmachte, stürzte er auf den Fußweg. Sie betrachteten ihn ohne Hohn, sahen dann kurz zum Himmel auf, als nützten sie eine einmalige Gelegenheit. Nachdem sie wieder im Lukas verschwunden waren, erhob sich Vavra – wie in Zeitlupe, wie mit Klavier- und Klarinettenbegleitung –, ging zu dem flachen, englischen Artefakt, lehnte sich an die Wagentür und trat in eine neue Phase des Wartens.
    Ja, natürlich, die Taubenhofgasse war seine Idee gewesen. Es war nicht nötig, daß Grisebach ihm das unter die Nase rieb.

5|  Polizeiarbeit
    Es war für Cerny an der Zeit, den Hafners in die Karten zu sehen, wenn das nur irgendwie ging. Ihr Domizil befand sich in der Nähe von Purkersdorf, einer geschniegelten, Wien gleich einem

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